Abstracts

27. BAG-Fachtagung 2017 in Köln

 

Fachkräftesicherung in Zeiten von demographischem Wandel und Migration

Eine Fachtagung im Rahmen der 19. Hochschultage Berufliche Bildung in Köln


Vorwort

Plenum

( Präsentation)  Berufspädagogik als Anker für Integration

(Keine Präsent. )  Handwerksbetriebe – Orte der Innovation und Integration?

( PräsentationAuswirkungen der Zuwanderung Geflüchteter seit 2015 auf den Arbeitsmarkt im Lichte der zukünftigen Fachkräftesicherung

( PräsentationAuswirkungen des demografischen Wandels auf die Elektro- und Metallberufe in den neuen Bundesländern

Arbeitskreis 1: Perspektive Integration – ein Weg zur Fachkräftesicherung?

(Keine Präsent.Migration, Integration und Berufsbildung in Zeiten von Flüchtlingskrisen

( PräsentationBrücken in die Berufsbildung? − Integrationserfahrung an einer metalltechnischen Berufsschule

( PräsentationFachkräftesicherung im Kontext der demografischen Entwicklung als Herausforderung an das Schulleitungshandeln − Eine empirische Studie an Berufsschulen für die duale Ausbildung der Fachrichtungen Metall-, Fahrzeug- und Versorgungstechnik am Standort Tirol

( PräsentationIntegration von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Geduldeten in eine elektro-  bzw. metalltechnische Ausbildung – Herausforderungen und Lösungsansätze in ausgewählten Unternehmen

( PräsentationAnforderungen und Bewältigungsstrategien von Auszubildenden mit und ohne  Migrationshintergrund in der Eingangsphase der dualen Berufsausbildung

Arbeitskreis 2: Wechsel/Wirkungen von Studium und Auspraesent/ak2_fischer.pdfbildungsberuf

( PräsentationEntwicklung der Integration beruflicher und allgemeiner Bildung im Berufskolleg

( PräsentationDoppelqualifikation als berufliches Bildungsziel in Sachsen

( PräsentationBerufliche Bildung und Abitur: Die Entwicklung beruflicher Orientierung und fachlichen Interesses im beruflichen Gymnasium für Ingenieurwissenschaften

( PräsentationÜbergang und Integration staatlich geprüfter Techniker/-innen in ingenieurpädagogische Ausbildungsprogramme zum Lehramt an berufsbildenden Schulen

( PräsentationNewStart – betriebliche Ausbildung als Chance für Studienaussteiger/-innen

( PräsentationDuales Studium mit dem Schwerpunkt AusbildungPlus

Arbeitskreis 3: Qualität der Lehrerbildung in Zeiten des Lehrermangels

( PräsentationQuereinstieg in den Lehrerberuf - Das Modell Sachsen

( PräsentationDas “Flensburger Modell”: Master of Vocational Education

( PräsentationBeruflich Qualifizierte auf dem Weg zum Lehramt − Erfahrungen aus dem Bachelorstudiengang „Berufliche Bildung“ der Universität Bremen

( PräsentationDas Modell Niedersachsen: Konsekutiv für alle Zielgruppen zur Lehrkraft an berufsbildenden Schulen studieren

( PräsentationDas duale Master-Modell in Nordrhein-Westfalen/Siegen

( PräsentationNotwendigkeit der weiteren Professionalisierung der Lehrerbildung im gewerblich-technischen Bereich durch „Industrie 4.0“

( PräsentationInformation und Quellenglaubwürdigkeit bei der Lehramtsstudienwahl: Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel

Arbeitskreis 4: Didaktische „Reduktion“ im Spannungsfeld von Hochtechnologie und Kompetenzentwicklung

( PräsentationVon der didaktischen Reduktion zur berufsdidaktischen Aufbereitung

( PräsentationProzessbezogenes Unterrichten

( PräsentationInstandsetzung einer Automatisierungsanlage und Modernisierung zur „Modellfabrik 4.0“

( PräsentationUmsetzungsmöglichkeiten von Inklusion und Integration in der berufsschulischen Ausbildung von Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf – Grundproblematik, Fallbeispiele aus dem Berufsfeld Metalltechnik

( PräsentationErfahren, verstehen, wissen – Medien im Implikationszusammenhang mit Zielen, Inhalten und Methoden

( PräsentationSERENA Supergreen und der abgebrochene Flügel – Serious Game Erneuerbare Energien für technische Ausbildungsberufe für Mädchen

Arbeitskreis 5: Werte schaffen – Werte schöpfen. Plädoyers für eine nachhaltige Berufsbildung

( PräsentationWerteorientierung und Berufliche Bildung – wie geht das?

( PräsentationNachhaltige Mediennutzung im Berufsschulunterricht – Wie gelingt ein zielführendes Lernen mit Schweißsimulatoren?

( PräsentationBerufliche Aus- und Weiterbildung in der Elektromobilität

( PräsentationLernen und Lehren im Zeitalter der Digitalisierung


Vorwort

Die Hochschultage Berufliche Bildung im März 2017 in Köln setzen sich mit „Bilanz und Zukunftsperspektive der Integration durch Bildung, Arbeit und Beruf in der Region“ auseinander. Unter anderem heißt es im Tagungsexposee:

„Jeweils vor Ort in den Regionen leistet Berufliche Bildung Beiträge zur gesellschaftlichen Integration von Individuen mit heterogenen Voraussetzungen und Lebenslagen. Dazu bedarf es der Vielfalt beruflicher Bildung in regionaler Nähe und der Berücksichtigung der Vielfalt von Zielgruppen durch integrierend wirkende berufliche Lernorte.“

Die Bundesarbeitsgemeinschaften ElektroMetall greifen mit ihrem Tagungsthema

"Fachkräftesicherung in Zeiten von demographischem Wandel und Migration"

diesen Zusammenhang als Schwerpunktsetzung auf und wollen folgende Themenfelder in einer Plenar-Session diskutieren:

•    Die Entwicklung der Berufsschulzentren in ihrer Schlüsselrolle für Integration in Land und Stadt und als Tor zum lebenslangen Lernen in Beruf und Hochschule

•    Die Innovationskraft der Handwerksbetriebe und deren Perspektive für Innovationen und Integration

•    Der Umgang der Berufspädagogik mit Migranten (Lehre 2.0) und deren Beschulung.

Einerseits eine gründlichere Betrachtung und andererseits eine Erweiterung dieser Komplexe ist naheliegend, um Orientierung für die weitere Entwicklung des beruflichen Bildungswesens zu erarbeiten. So befassen sich die Arbeitskreise mit fünf Themenschwerpunkten.

U. a. sollen verschiedene Ansätze zur Integration von Zuwanderern aus den Aktivitäten einzelner Bundesländer heraus diskutiert werden, um einerseits einen Überblick über erfolgreiche Modelle dieser Arbeiten zu bekommen. Andererseits geht es darum, herauszuarbeiten und zu lernen, welche Themenkomplexe zukünftig gründlicher erschlossen werden müssen, um Integrationsklassen zum Erfolg zu verhelfen und für die Anforderungen der Wirtschaft zu qualifizieren.

Verstärkt entscheiden sich Studierende, das gewählte Studium zugunsten einer Berufsausbildung aufzugeben und wechseln in eine betriebliche Ausbildung bzw. verbinden Ihr Studium mit einer solchen. Um diesen Wechsel der Ausbildungsinstitution zu unterstützen werden aktuell verschiedene Modelle im Bundesgebiet erprobt. Ob sich daraus Modelle heraus lesen lassen, deren Etablierung zu einem positiven Beitrag in der Berufsbildung führt, bedarf der genaueren Prüfung und soll geklärt werden.

Für die Lehrerbildung werden vielschichtige Modelle nicht nur diskutiert sondern auch implementiert. Neben den Ansätzen für die grundständige Ausbildung beziehen sich diese auf sehr unterschiedliche Zielgruppen. Sie verfolgen dabei in erster Linie die Absicht, die Zahl der für ein Lehramt an beruflichen Schulen qualifizierten Personen zu erhöhen. Nach wie vor geht es darum, die verschiedenen Modellansätze zu diskutieren und die Frage zu klären, mit welchen Modellen eine hohe Qualität der Ausbildung zu erreichen ist.

Die Didaktik und Fachdidaktik gehören zu einem vernachlässigten Schwerpunkt in der Berufsbildung. Das hat zur Folge, dass wenig spezifisches Wissen dazu existiert und deshalb Veröffentlichungen oft mit Didaktik-Titeln umschrieben werden, die in der Vergangenheit im besten Falle als schulpolitische Ansätze durchgegangen wären. Das ist Herausforderung genug, drängende didaktische Fragen aufzugreifen, um genauere Antworten zu bekommen, wie Lernprozesse mit Blick auf Hochtechnologie gestaltet werden können, um eine qualitätsorientierte Kompetenzentwicklung zu unterstützen.

Gibt es ein Berufsethos? Ist das ein Begriff von gestern? Soll darüber heute noch diskutiert werden? Die hoch diversifizierten Entwicklungen in der Berufsbildung legen praktisch nahe, diesen Begriff aufzugreifen und gründlicher zu diskutieren. Zu klären ist die Frage, ob ein Berufsethos nach wie vor ein Pfeiler für die Berufsbildung sein kann und auch nachhaltige Entwicklungen unterstützen kann. Neben theoretischen Überlegungen sind an dieser Stelle Beispiele hilfreich, die die Nachhaltigkeit der Berufsbildung unterlegen.

Bremen, 13.03.2017

Ulrich Schwenger, erster Vorsitzender der BAG ElektroMetall

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Berufspädagogik als Anker für Integration

Das Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen bietet jungen insbesondere schulpflichtigen Zugewanderten in der Ausbildungsvorbereitung eine umfangreiche Möglichkeit zur Integration in die Berufsausbildung und ermöglicht außerdem den Zugang zu weiterführenden Bildungsgängen auch ohne formale Zeugnisvoraussetzungen.

In Internationalen Förderklassen wird die deutsche Sprache mit erfolgreichen berufspädagogischen Konzepten erworben. Die Dauer kann nach den Lernvoraussetzungen variieren und beträgt in der Regel 2 Jahre. In praxisnahen Lernarrangements und optionalen Betriebspraktika ermöglichen die Förderklassen eine Orientierung für die Berufsausbildung. Waren auch schon seit Jahren besonders in Ballungsräumen und Oberzentren Beschulungsmodelle erprobt worden, besteht nunmehr auch durch schulrechtliche Regelungen eine gesicherte Basis für die Berufskollegs.

Mit neu ausgerichteten regionalen Institutionen und Strukturen gelingt es, den Zugang zum Bildungssystem durch Diagnose der Lernvoraussetzungen und Beratung zu sichern und individuelle Bildungswege mit dem bundesweit besonderen System der Doppelqualifizierung von Berufsabschluss und weiterführendem Schulabschluss erfolgreich zu begleiten.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat mit hohem Aufwand schnell und flexibel reagiert, formale Rahmenbedingungen angepasst und Ressourcen für das Lehrpersonal und die Lehrerfortbildung bereitgestellt.

Leitender Regierungsschuldirektor Hartmut Müller

Bezirksregierung Köln

Dezernat 45 - Berufskollegs

Zeughausstraße 4-10

50667 Köln

E-Mail: hartmut.mueller@brk.nrw.de.de

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Handwerksbetriebe – Orte der Innovation und Integration?

Keine Innovation im Handwerk ohne „Gute Arbeit“

Das Handwerk ist mit rund einem Achtel aller Erwerbstätigen und mehr als einem Viertel aller Auszubildenden einer der zentralen Wirtschafts- und Arbeitsbereiche in Deutschland. Wesentliche gesamtgesellschaftliche Zukunftsprojekte sind ohne die Leistungen von Handwerksbetrieben und deren Beschäftigten nicht machbar. Dazu gehören die Energiewende, die Mobilitäts- und Verkehrswende, mehr Energieeffizienz bei Anlagen, Fahrzeugen und Gebäuden sowie ein Ausbau der Infrastruktur und nicht zuletzt die Digitalisierung der Branche selbst. Deshalb ist Deutschland auch in Zukunft darauf angewiesen, dass das Handwerk innovationsfähig bleibt: Es gibt keinen Ausbau der Infrastruktur und keine effiziente Gebäudesanierung ohne innovatives Bauhandwerk, keine Verkehrswende ohne innovatives Kfz-Handwerk und kein innovatives Industrieunternehmen, das nicht auf industrienahe Dienstleistungen des Handwerks angewiesen ist.

Seine Innovationsfähigkeit kann das Handwerk aber nur dann aufrechterhalten, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Handwerks qualifiziert sind und an Entwicklungsprozessen beteiligt werden. Qualifizierung und Weiterbildung darf in Deutschland nicht exklusiv hoch Qualifizierten sowie Akademikerinnen und Akademikern vorbehalten sein, sondern muss gerade im Handwerk allen Beschäftigtengruppen offen stehen. Außerdem wird das Handwerk innovative Fachkräfte nur finden und halten können, wenn mit „Guter Arbeit“ und leistungsgerechter Bezahlung auf Basis verbindlicher Tarifverträge die entsprechenden Voraussetzungen dafür geschaffen werden.

Weiterbildungsquote erhöhen:

Das Handwerk spielt eine entscheidende Rolle bei der Markteinführung innovativer und nachhaltiger Produkte, Technologien, Verfahren und Dienstleistungen. Häufig sind es Beschäftigte des Handwerks, die die Markteinführung bei privaten oder gewerblichen Endkunden übernehmen. Sie entscheiden so auch mit über den Erfolg oder Misserfolg industrieller Innovationen am Markt. Die Qualifikation und das Know-how der Beschäftigten im Handwerk müssen deshalb ständig aktualisiert werden. Die Verantwortlichen im Handwerk müssen, im Interesse der Beschäftigten wie auch im Interesse der Betriebe dafür sorgen, dass sich die im Branchenvergleich häufig niedrige Weiterbildungsquote im Handwerk deutlich erhöht und alle Beschäftigtengruppen davon profitieren – gering wie auch hoch Qualifizierte. Nicht zuletzt leisten die Betriebe angesichts des demografischen Wandels so auch einen Beitrag zur eigenen Fachkräftesicherung.

Qualität der Ausbildung sichern und ausbauen:

Gleiches gilt für eine Ausbildung im Handwerk. Die Qualität der Ausbildung muss gesichert und ausgebaut werden. Qualitativ hochwertige Ausbildungsgänge mit realistischen Übernahmechancen und fairer Vergütung sichern Fachkräfte für ein innovatives Handwerk. Innungen und Verbände müssen ihre Rolle als Tarifpartner auch mit Blick auf gerechte tarifliche Ausbildungsvergütungen verantwortungsbewusst wahrnehmen und faire Tarifverträge mit den DGB-Gewerkschaften aushandeln. Innungen und Handwerkskammern müssen alles tun, um für qualitativ hohe, faire und rechtlich einwandfreie Ausbildungsregelungen, Ausbildungsvergütungen und Ausbildungsbedingungen zu sorgen.

Vielfalt und Heterogenität der Auszubildenden als Chance:

Die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger geht kontinuierlich zurück. Die Heterogenität und Vielfalt der Bewerberinnen und Bewerber in der beruflichen Bildung nimmt stetig zu, vom Studienabbrecher über Jugendliche mit Migrationshintergrund, BewerberInnen mit unterschiedlichsten Schulabschlüssen, Flüchtlinge, Altbewerber mit unterschiedlichsten (meist negativen) Erfahrungen in vorbereitenden Maßnahmen. Der Anteil der Bewerbungen aus dem Übergangssystem (Altbewerber) nimmt zu.

Betriebe, Berufsschulen, ÜlU Bildungsstätten haben mit den unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen der BewerberInnen neue Aufgaben zu bewältigen. Hierbei müssen die Kammern als zuständige Stellen für Berufsbildung ihre Aufgabe die Betriebe und Ausbildungspersonal zu Beraten und zu unterstützen ernst nehmen.

Meisterqualifikation sichern und stärken:

Zu einem innovativen Wirtschaftsbereich Handwerk gehören neben hoher Ausbildungsqualität auch die besonderen Qualifikationsmöglichkeiten und -ansprüche im Handwerk, die durch Gesellenprüfungen, Ausbilderqualifizierung und in vielen Gewerken durch Meisterprüfungen gesichert werden. Nur gut ausgebildete GesellInnen sowie MeisterInnen sichern mit ihrem Knowhow und mit dem, was sie an KollegInnen und Auszubildende weitergeben, einen hohen fachlichen Standard und damit die Innovationsfähigkeit des Handwerks. Bestrebungen von europäischer Ebene wie aktuell mit dem sog. „Dienstleistungspaket“, die Berufsregulierung die damit in vielen Gewerken verbundene Meisterpflicht im Handwerk weiter einzuschränken, gehen in die falsche Richtung.

Im Bereich der reglementierten Berufe will die KOM eine Richtlinie zur Durchführung eines sog. Verhältnismäßigkeitstests vor Verabschiedung neuer Berufsreglementierungen einführen. Die Richtlinie soll auch alle Änderungen bestehender Berufsreglementierungen erfassen. Somit könnten zukünftig die Weiterentwicklung der zulassungspflichtigen Gewerke und die Implementierung innovativer Entwicklungen von der EU als unverhältnismäßig abgelehnt werden.

Helmut Dittke

IG Metall Vorstand

Koordinator Handwerkspolitik/ KMU

Wilhelm-Leuschner-Str. 79

60329 Frankfurt

E-Mail: Helmut.Dittke@igmetall.de

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Auswirkungen der Zuwanderung Geflüchteter seit 2015 auf den Arbeitsmarkt im Lichte der zukünftigen Fachkräftesicherung

Bislang ist man davon ausgegangen, dass Deutschland aufgrund seiner schrumpfenden und älter werdenden Bevölkerung langfristig von flächendeckenden Fachkräfteengpässen bedroht sei. Spätestens durch die hohen Zuwanderungsüberschüssen der letzten Jahre stellt sich die Frage, ob Migration die Folgen des demografisch bedingten Rückgangs des Arbeitsangebots abmildern kann. Dies hängt hauptsächlich von der Alters- und Qualifikationsstruktur sowie dem Erwerbsverhalten (Arbeitsmarktintegration) der Zugewanderten ab.

Um die langfristigen Entwicklungen von Arbeitsangebot und –nachfrage abschätzen zu können, erstellen das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unter Mitwirkung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT) und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS) regelmäßig Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen (www.QuBe-Projekt.de ). Aufgrund des starken Zustroms an Geflüchteten – insbesondere im Jahr 205 – wurde im Gegensatz zu vorherigen Projektionen von den Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes abgesehen und stattdessen eine eigene Bevölkerungsprojektion erstellt. Die Besonderheit der QuBe-Bevölkerungsprojektion liegt in der spezifischen Modellierung der Zu- und Abwanderung und darüber hinaus in der gesonderten Modellierung der Zuzüge von Geflüchteten.

Zur Abschätzung der Alters- und Qualifikationsstruktur sowie des Erwerbsverhaltens der Flüchtlinge werden Informationen des BAMF, des Mikrozensus sowie der UNESCO und ILO über die Qualifikationsstruktur der Herkunftsländer zusammengeführt und vor dem Hintergrund weiterer Datenquellen und Erhebungen plausibilisiert. Durch die länderspezifische Modellierung der Zuwanderung und die damit zusammenhängenden Schutzquoten lassen sich die zukünftigen Herausforderungen für das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt quantifizieren. Weiterhin können die durch u.a. ein verändertes Konsumverhalten und eines höheren Investitionsbedarf entstehenden Branchen- und Berufseffekte dargestellt werden. So kann abgebildet werden, inwiefern sich Arbeitsangebot und –nachfrage in Branchen, Berufen und Qualifikationen langfristig aufgrund des Zuzugs Geflüchteter und ihrer Integration in den Arbeitsmarkt verändert.

Tobias Maier

Caroline Neuber-Pohl

Bundesinstitut für Berufsbildung

A2.2 Qualifikation, berufliche Integration und Erwerbstätigkeit

Robert-Schuman-Platz 3

53175 Bonn

E-Mail: tobias.maier@bibb.de; neuber-pohl@bibb.de

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Dr. Gerd Zika

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA)

Regensburger Straße 104

90478 Nürnberg

E-Mail: gerd.zika@iab.de


Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Elektro- und Metallberufe in den neuen Bundesländern

Das Bundesinstitut für Berufsbildung hat in den vergangenen Jahren das Modellversuchsprogramm „Neue Wege in die duale Ausbildung – Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung“ durchgeführt, mit dem reagiert werden sollte auf den demografischen Wandel und insbesondere auf den deutlichen Rückgang der Schulabsolventenzahlen in Deutschland. Grundlage waren die Einschätzung, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen ihre Ausbildungskapazitäten nicht mehr vollständig auslasten können – und die Frage, wie eine erfolgreiche Ausbildung noch gewährleistet werden kann, wenn Betriebe in die Situation kommen, „jeden jungen Menschen zu brauchen“ (so das BMBF in verschiedenen Presseverlautbarungen) und jeden Bewerber in die Ausbildung übernehmen müssen. Diese demografischen Veränderungen sind seit einigen Jahren in vollem Gange und werden sich in den alten Bundesländern bis etwa 2025 fortsetzen.

In den neuen Bundesländern ist diese Situation wesentlich weiter fortgeschritten: Bereits seit 2000 ist dort über mehr als eine Dekade ein Rückgang der Schulabgänger/-innen erfolgt, der einen Einbruch der Bewerberzahlen um mehr als 50 Prozent zur Folge hatte. Eine von den Universitäten Dresden, Magdeburg und Rostock konstituierte „Forschungsgruppe Demografie“ hat sich zur Aufgabe gemacht, die dort zu verzeichnenden Entwicklungen genauer zu identifizieren und hieraus Erkenntnisse und Strategien abzuleiten, die auch geeignete Konsequenzen für die sich in den kommenden Jahren in den alten Bundesländern entwickelnde Situation aufzeigen können.

Im vorliegenden Beitrag werden die aktuellen Erkenntnisse aufgezeigt für

     die verschiedenen Ursachen für die Veränderungen in den gewerblich-technischen Ausbildungsberufen,

     die Entwicklung in den Elektro- und Metallberufen der neuen Bundesländer in den vergangenen Jahren, die grundsätzlich geeignet sich, die duale Berufsausbildung als Grundlage der Fachkräftesicherung in diesen Wirtschaftsbereichen zu gefährden,

     die quantitativen Auswirkungen der veränderten Bewerbersituation auf das Zustandekommen von Neuverträgen in den elektrotechnischen und metalltechnischen Handwerksberufen,

     die sich im Zusammenhang mit diesen Veränderungen entwickelnden Ausbildungserfolgsquoten (insbesondere der Vertragslösungs- und Prüfungserfolgsquote) und

     die bisher erkennbaren Bewältigungsstrategien der Unternehmen und der berufsbildenden Schulen.

Auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstands entwickelte Forschungsfragen, Handlungsoptionen und Empfehlungen für Bildungspolitik, Berufsbildungspraxis und Berufsbildungsforschung schließen den Beitrag ab.

Prof. Dr. Klaus Jenewein

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Ingenieurpädagogik und gewerblich-technische Fachdidaktiken

Zschockestr. 32

39104 Magdeburg

E-Mail: jenewein@ovgu.de

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Migration, Integration und Berufsbildung in Zeiten von Flüchtlingskrisen

Das Thema Migration und Ausbildung weckt die Assoziation von „schwierigen“ Schülern, die irgendwie „anders“ sind, von Kommunikationsproblemen, Lernrückständen, unüberwindbaren kulturellen Differenzen und einer „Problem- oder Risikogruppe“, die sich nur mit Mühe in die deutsche Ausbildungslandschaft integrieren lässt. Das gilt in Zeiten der aktuellen Flüchtlingskrise mehr denn je und stellt Berufsschulen und Lehrkräfte vor teils massive Herausforderungen.

Dieser Beitrag nähert sich dem Thema „Migration und Ausbildung“ zunächst über die Frage, wer und was mit „Migranten“ und „Flüchtlingen“ gemeint ist und hinterfragt, inwiefern Jugendliche mit ‚Migrationshintergrund‘ bzw. ‚Geflüchtete‘ tatsächlich anders sind und inwiefern diese Andersartigkeit eine Zuschreibung ist, die es neu zu schreiben gilt.

In einem weiteren Schritt nähert sich der Beitrag dann der Frage, welche gesicherten Erkenntnisse über berufliche Qualifikationen und berufliche Integration speziell von sog. ‚Geflüchteten‘ im Zuge der aktuellen Flüchtlingskrise bekannt sind und gibt einen Ausblick auf die Herausforderungen und Konsequenzen, die sich daraus für die Berufsschulen und ihre Lehrkräfte ergeben.

Prof. Dr. Sandra Bohlinger

Technische Universität Dresden

Fakultät Erziehungswissenschaften

Institut für Berufspädagogik

01062 Dresden

E-Mail: sandra.bohlinger@tu-dresden.de

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Brücken in die Berufsbildung? − Integrationserfahrung an einer metalltechnischen Berufsschule

Als im Herbst 2015 in Hessen monatlich ca. 10.000 geflüchtete Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen Schutz suchten, wurde sehr schnell deutlich, dass auf die Bildungseinrichtungen des Landes eine große Aufgabe zukommen würde, wenn die Euphorie der ersten Begrüßungswelle abgeklungen ist. Den Schlüssel für eine gelingende Integration sieht man zunächst in einer möglichst früh einsetzenden Sprachförderung. Ziel muss jedoch sein, den jungen Menschen eine Perspektive zu bieten, wie sie in absehbarer Zeit für sich selbst sorgen können. Integration bedeutet in diesem Zusammenhang die Teilhabe an der Beruflichkeit. An dieser Stelle kommt dem Berufsbildungssystem eine zentrale Rolle zu, wenn es darum gehen soll, geflüchteten Menschen Berufs- und weiter gehende Bildungschancen einzuräumen.

Im Beitrag soll kurz über die Hintergründe der Einrichtung von Klassen zur Sprachförderung in Hessen berichtet werden, um dann in den Blick zu nehmen, welche konkreten Hindernisse sich derzeit ergeben, junge geflüchtete Menschen in Ausbildungsplätze zu vermitteln oder ihnen Chancen für eine Teilhabe am beruflichen Leben zu ermöglichen. Ausgangspunkt des Beitrages sind dabei die Unterrichtserfahrungen im Rahmen von 3 so genannten InteA-Klassen (Integration und Abschluss) an an einer beruflichen Schule mit metalltechnischem Schwerpunkt. Im Rahmen dieser zweijährigen Maßnahme hat sich Hessen zum Ziel gesetzt, geflüchtete Menschen sprachlich soweit zu fördern, dass sie in der Lage sind, eine Berufsausbildung erfolgreich abzuschließen. Darüber hinaus sollen weitergehende Hypothesen und Rahmenbedingungen für eine gelingende Integration aufgezeigt sowie an einem exemplarisch skizzierten Projekt verdeutlicht werden, wie Sprachförderung mit Blick auf die Integration in die Berufswelt denkbar ist.

Studiendirektor Ulrich Neustock

Max-Eyth-Schule

Berufliche Schule

Weserstraße 7A

34125 Kassel

E-Mail: u.neustock@gmx.de

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Fachkräftesicherung im Kontext der demografischen Entwicklung als Herausforderung an das Schulleitungshandeln − Eine empirische Studie an Berufsschulen für die duale Ausbildung der Fachrichtungen Metall-, Fahrzeug- und Versorgungstechnik am Standort Tirol

In Österreich hat die demografische Entwicklung seit den 1980-er Jahren zu einer signifikanten Verringerung der Anzahl der 15- bis 19-Jährigen geführt. In Verbindung mit dem veränderten Bildungs- und Qualifikationsverhalten kommt es zu einer Dezimierung des Bewerberinnen- und Bewerberpotentials für die duale Berufsausbildung. Um einer Verstärkung der bereits zum jetzigen Zeitpunkt in manchen Berufsgruppen bestehenden Fachkräfteknappheit entgegenzuwirken, ist es unabdingbar das verfügbare Bewerberinnen- und Bewerberpotential in größtmöglichem Umfang auszuschöpfen und gleichzeitig eine höchstmögliche Erfolgsquote der dualen Lehrlingsausbildung sicherzustellen. Im Workshopbeitrag werden die Auswirkungen der demografischen Entwicklung und des veränderten Bildungs- und Qualifikationsverhaltens der Jugendlichen aus der Perspektive von Schulleiterinnen und Schulleitern der betroffenen Berufsschulen dargestellt und die sich daraus ergebenden Handlungsfelder beschrieben. Die Basis für den Beitrag liefert die qualitative Analyse von Leitfadeninterviews mit Schulleiterinnen und Schulleitern. Die Ausführungen fokussieren auf Ergebnisse im Kontext der Fachrichtungen Metall-, Fahrzeug- und Versorgungstechnik und zielen darauf ab, Maßnahmen aufzuzeigen, die am Lernort Schule dazu beitragen, trotz der sich verändern-den Ausgangssituation der Auszubildenden eine größtmögliche Erfolgsquote sicherzustellen.

Dipl.-Päd. Ing. Prof. Markus Schöpf

Pädagogische Hochschule Tirol

Institut für Berufspädagogik

Pastorstraße 7

A 6020 Innsbruck

E-Mail: markus.schoepf@ph-tirol.ac.at

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Integration von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Geduldeten in eine elektro- bzw. metalltechnische Ausbildung – Herausforderungen und Lösungsansätze in ausgewählten Unternehmen

Der Beitrag stellt die Ergebnisse einer Befragung von ausgewählten Unternehmen (Siemens AG, Daimler AG und AGCO FENDT GmbH) zu Erfahrungen bei der Integration von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Geduldeten in eine elektro- bzw. metalltechnische berufliche Ausbildung vor.

Die Zuwanderung dieser Personengruppen stellt einerseits eine Herausforderung für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sowie insbesondere für die beteiligten Akteure dar, bietet aber andererseits vielfältige Chancen zur Fachkräftesicherung in Zeiten von umfangreichen Migrationsbewegungen nach Deutschland.

Mit der durchgeführten Studie wurde der Versuch unternommen, in diesem Bereich identifizierte Forschungsdesidarate - in erster Linie aus Akteursperspektive - zu beleuchten. Dazu wurden verschiedene Ansätze zur Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern aus den Aktivitäten ausgewählter Unternehmen eruiert und anschließend auf ihre Wirksamkeit hin reflektiert. Im Beitrag vorgestellt werden die Strategien der Unternehmen zur Ausgestaltung und Vorbereitung von Integrationskonzepten sowie die spezifisch wahrgenommenen Herausforderungen und Lösungsansätzen. Ergebnisse der Untersuchung sollen als Anregung und Hilfestellung für ausbildungsinteressierte Unternehmen dienen.

Die Auswertung der Interviews ergab, dass die Unternehmen teils unterschiedliche, teils aber auch gleiche Erfahrungen bei der Umsetzung Ihrer Integrationsmaßnahmen gemacht haben:

     Die Siemens AG stand im Rahmen der Planung und Durchführung der Einstiegsqualifizierung, die auf eine Ausbildung in Metall- und Elektroberufen vorbereitet, vor großen organisatorischen Herausforderungen. Dazu gehörten unter anderem die Auswahl einer entsprechenden Integrationsmaßnahme,  der rechtlichen Form sowie die Wahl der Inhalte der Einstiegsqualifizierung. 

     Für die Daimler AG stellte sich die Zusammenarbeit mit den Agenturen für Arbeit an vereinzelten Unternehmensstandorten als schwierig heraus. Während der Durchführung der Brücken-praktika in der Montage und Produktion brachen manche Teilnehmer die Maßnahme ab. Lehrerinnen wurden zunächst nicht von allen Praktikanten akzeptiert.

     Der Traktorenhersteller AGCO FENDT GmbH berichtete über große Schwierigkeiten bei der Suche nach Flüchtlingen und Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive, die für ein Orientierungspraktikum in der Metallverarbeitung geeignet waren und auch an der Maßnahme teilnehmen wollten.

Insgesamt mussten alle befragten Unternehmen ihre Anforderungen in Bezug auf die Deutsch-kenntnisse der Integrationsteilnehmer teilweise sogar erheblich herabsetzen und ihre Fördermaß-nahmen anpassen. Im Beitrag wird aufgezeigt, wie die Unternehmen einen jeweils individuellen Weg gefunden haben, Flüchtlinge, Asylbewerber und Geduldete an eine Ausbildung heranzuführen. Infolge der Maßnahmen haben erste ehemalige Integrationsteilnehmer ihre Ausbildung in diesem Jahr begonnen.

Simone Niesen

Otto-Von-Gutricke-Universität Magdeburg

Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik

Zschokkestraße 32

39104 Magdeburg

E-Mail: simone_n@gmx.de

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Florian Winkler MA

Otto-Von-Gutricke-Universität Magdeburg

Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik

Zschokkestraße 32

39104 Magdeburg

E-Mail: florian.winkler@ovgu.de


Anforderungen und Bewältigungsstrategien von Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund in der Eingangsphase der dualen Berufsausbildung

– Forschungsbeitrag –

Mit dem Übergang in die duale Berufsausbildung stehen die Auszubildenden vor neuen Anforderungen und Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Das gilt auch und insbesondere für Auszubildende mit Migrationshintergrund, deren Einmündungschancen ohnehin geringer sind und die „aufgrund der ungünstigen Ausgangsbedingungen insgesamt betrachtet seltener erfolgreich“ (BMBF 2015: 54) ihre Ausbildung abschließen. Bisher ist jedoch wenig darüber bekannt, welche Anforderungen mit dem Eintritt in die duale Berufsausbildung am Arbeitsplatz – als für die Jugendlichen teilweise gänzlich neuen Lernort – einhergehen und wie diese Anforderungen von den Auszubildenden bewältigt werden. Auch über betriebliche Rahmenbedingungen und deren Einfluss auf die subjektive Bewertung der Anforderungen und die Auswahl der Bewältigungsstrategien ist bisher wenig bekannt.

Im Beitrag werden Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung zu den Anforderungen, Bewältigungsstrategien und Ressourcen von Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund in der Eingangsphase der Berufsausbildung am Beispiel der Ausbildung im Kraftfahrzeugmechatronikerhandwerk vorgestellt. Die Daten wurden mittels problemzentrierter Interviews in einem Längsschnittdesign erhoben und werden inhaltsanalytisch mit Hilfe eines an Mayring (2015) angelehnten Verfahrens ausgewertet. Mit dem Fokus auf Auszubildende mit und ohne Migrationshintergrund können damit erstmals Aussagen über die kulturspezifische Wahrnehmung der Anforderungen und die Auswahl der Bewältigungsstrategien getroffen werden. Darüber hinaus werden lernförderliche Rahmenbedingungen der betrieblich-beruflichen Bildung diskutiert.

Quelle:

BMBF (Hrsg.) (2015): Berufsbildungsbericht 2015. Bonn.

Mayring, P. (2015): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 12. Überarb. Aufl. Weinheim/Basel: Beltz.

M. Ed. Silke Lange

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik

Zschokkestraße 32

39104 Magdeburg

E-Mail: silke.lange@ovgu.de

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Entwicklung der Integration beruflicher und allgemeiner Bildung im Berufskolleg

Ausbildung oder doch lieber ein höherer Schulabschluss? Immer mehr Jugendliche entscheiden sich für den höheren Schulabschluss, möglicherweise da die gesellschaftliche Anerkennung doch hoch zu sein scheint, kann man eine Fachhochschulreife oder sogar eine allgemeine Hochschulreife vorweisen. Dies macht unter anderen auch Handwerksbetrieben zu schaffen und erschwert die Bindung leistungsstarker Auszubildender an den Betrieb. Auch im Hinblick auf Betriebsübernahmen werden leistungsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber dringend benötigt.

Der klassische Weg, nach der Berufsausbildung über die einjährige Fachoberschule (Klasse 12 B) die Fachhochschulreife zu erlangen, ist schon lange bei den Berufskollegs angesiedelt. Es unterbricht jedoch die betriebliche Bindung für mindestens ein Jahr nach der Ausbildung und ist zudem häufig mit Wartezeiten verbunden (z.B. wenn die Gesellenprüfung im Winter abgelegt wird und die Fachoberschule erst mit dem neuen Schuljahr im August beginnt). Auch stellt ein vollzeitschulischer Bildungsgang die jungen Gesellinnen und Gesellen häufig vor finanzielle Herausforderungen.

Kann der Erwerb der Fachhochschulreife in den Fachklassen des dualen Systems (Doppelqualifikation) da eine sinnvolle Alternative sein?

Am Heinrich-Hertz-Europakolleg (HHEK) in Bonn werden die doppelqualifizierenden Bildungsgänge – unter anderem für den Ausbildungsberuf Elektroniker/innen für Energie- und Gebäudetechnik – seit 2014 angeboten.

Die Auszubildenden werden bereits bei der Anmeldung zur Berufsschule über die Möglichkeit informiert, sich mit der Zugangsvoraussetzung Fachoberschulreife für die Doppelqualifikation zu „bewerben“. Das Einverständnis des Betriebs ist zwingend erforderlich, da die Teilnehmer für durchschnittlich zwei Unterrichtsstunden pro Woche mehr freigestellt werden. Nach einem intensiven Beratungsverfahren an den ersten Schultagen wird am HHEK eine reine Doppelqualifikationsklasse pro Jahrgang gebildet. Der an die Erfordernisse angepasste Stundenplan enthält Physik als zusätzliches Fach und mehr Stunden im allgemeinbildenden Bereich als dies bei herkömmlichen Berufsschulklassen der Fall ist. Nach dem zweiten Ausbildungsjahr entscheidet die Klassenkonferenz über den Verbleib jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers in der Doppelqualifikationsmaßnahme. Hintergrund ist, dass der erfolgreiche Abschluss der Berufsausbildung unbedingt im Fokus bleiben muss. Sollte dieser gefährdet sein, wird sich der Lernende in den verbleibenden eineinhalb Jahren ausschließlich auf den Berufsabschluss konzentrieren.

Im Erfolgsfall legt der Auszubildende nach knapp drei Jahren die schriftliche Fachhochschulreifeprüfung in den Fächern Englisch, Mathe und Deutsch ab. Zusammen mit der erfolgreich abgelegten Gesellenprüfung (in der Regel nach 3.5 Jahren) wird die Fachhochschulreife zuerkannt.

Die Erfahrungen am HHEK sind bisher positiv, ein großer Teil der sorgfältig ausgewählten Teilnehmer hat gute Aussichten auf einen erfolgreichen doppelten Abschluss. Sich in  3.5 Jahren sowohl einen höheren Schulabschluss als auch einen Gesellenbrief zu erarbeiten ist eine attraktive Option für leistungsfähige und –bereite Handwerksauszubildende.

StD’in Nicola Becker

Heinrich-Hertz-Europakolleg der Bundesstadt Bonn

Herseler Strasse 1

53113 Bonn

E-Mail: becker@hhek.bonn.de

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Doppelqualifikation als berufliches Bildungsziel in Sachsen

Nicht erst seit der Hattie-Studie wissen wir, dass die Qualität einer Schule von der Qualität der Lehrpersonen abhängt. In der dualen Ausbildung stehen wir vor einem erheblichen Qualitätsrisiko, weil uns die qualifizierten Lehrkräfte verloren gehen. Ein Beispiel: Die Technische Universität Dresden ist die einzige Hochschule in Sachsen, die Lehrkräfte für berufsbildende Schulen ausbildet. In den nächsten fünf Jahren werden an Sachsens beruflichen Schulzentren über 1.000 Lehrkräfte in den Ruhestand gehen – bei weitgehend stabilen Schülerzahlen. Vor allem in den gewerblich-technischen Fachrichtungen gibt es jedoch deutlich weniger Studierende als für den Ersatz nötig wären. Das ist kein sächsisches Phänomen: Auch in bundesweiten Studien wird die Nachwuchssituation bei Lehrpersonen für berufsbildende Schulen im gewerblich-technischen Bereich als prekär und besorgniserregend beschrieben (vgl. z.B. Spöttl/Becker/Vollmer 2012)  – trotz umfangreicher Werbemaßnahmen und Sonderprogramme.

Ein weiteres Problem kommt hinzu: Der klassische Weg zum beruflichen Lehramt führt über das Abitur, eine anschließende Berufsausbildung und schließlich das entsprechende Studium. Dieser Weg dauert sehr lange und kann durchaus Interessentinnen und Interessenten abschrecken. Der direkte Weg vom Abitur ins Studium ist möglich, hat aber den Nachteil der fehlenden beruflichen Ausbildung. Berufliche Praxis wird in diesem Fall über (studienbegleitende) Praktika erworben, die in der Regel unstrukturiert sind und oft nur eine unzureichende betriebliche Praxis und kaum ein Verständnis für Inhalte und Struktur einer Berufsausbildung vermitteln.

Mit dem ESF-geförderten Modellversuch „Kooperative Ausbildung im technischen Lehramt“ (KAtLA) wurde von 2010-2015 unter der Leitung von Manuela Niethammer und Martin D. Hartmann ein innovativer, interdisziplinärer Studiengang entwickelt und erprobt: Künftige Lehrkräfte haben die Möglichkeit, während eines zwölfsemestrigen Studiengangs neben dem Staatsexamen auch einen Berufsabschluss in einer technischen Fachrichtung zu erreichen. Die berufspraktischen Elemente werden dabei so in den Studienablauf integriert, dass den Studierenden eine systematische Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt im Hinblick auf die eigene Lehrtätigkeit ermöglicht wird (vgl. Niethammer/Hartmann 2015).

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die KAtLA-Studierenden die Erwartungen an einen berufs- bzw. berufsfeldweiten Einblick einerseits und an die Entwicklung berufswissenschaftlicher Kompetenz andererseits erfüllen konnten. Das Wissen zu differenten, berufsfeldtypischen Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten sowie auch branchenspezifischen Arbeitstätigkeiten anderer Berufe lag mehrheitlich über dem der klassisch Studierenden.

Die im KAtLA-Lehramtsstudium erworbenen Kompetenzen und die praktischen Erfahrungen im dazugehörigen Berufsfeld ermöglichen künftigen Lehrkräften die Gestaltung eines interessanten und arbeitsweltbezogenen Unterrichts. Inhaltlich orientieren sich diese Ausbildungspraktika an den Verordnungen über die Berufsausbildung in einem entsprechenden Beruf. Im Rahmen des Modellversuchs wurden unterschiedliche Organisationsmodelle der Verzahnung von Studiums- und Praxisphasen erprobt. Dabei erwies sich eine Kombination aus dem Regelstudiengang mit einem nach dem vierten Studiensemester eingeschobenen Jahrespraktikum als besonders effizient. Für die Abiturientinnen und Abiturienten ist speziell die kürzere Ausbildungszeit attraktiv: Statt zwei bis dreieinhalb Jahre Berufsausbildung plus fünf Jahre Lehramtsstudium dauert das kooperative Studium zwölf Semester. Diese Tatsache hat – neben den günstigen Studienbedingungen und Berufsaussichten – dazu beigetragen, dass die Zahl der Studierenden in den beteiligten Beruflichen Fachrichtungen durch KAtLA signifikant erhöht   werden konnten: Im Rahmen des Modellversuchs nahmen an zwei Durchgängen insgesamt 66 Studierende teil, was die Zahl der Studierenden in diesen Fachrichtungen etwa verdoppelte.

Die vorliegenden Evaluationsergebnisse und die positiven Rückmeldungen aller Beteiligten haben gezeigt, dass KAtLA einen Lösungsansatz für eine qualitativ hochwertige und auf die Zukunft ausgerichtete Ausbildung von Lehrkräften für gewerblich-technischen Fachrichtungen an berufsbildenden Schulen darstellt.

Dazu wird aus Gründen der Nachhaltigkeit stark auf ein Netzwerk engagierter Unternehmen gesetzt, die bereit sind, die praktische Ausbildung der Studierenden in die Hand zu nehmen, um so einen Beitrag zur Qualitätssicherung der dualen Ausbildung zu leisten. Mit Blick auf die Evaluationsergebnisse wird nun ein Modell umgesetzt, das Praktika bei den Unternehmen in Form eines zusammenhängenden Jahrespraktikums   vorsieht, dass ggf. durch kürzere Praktikumsphasen noch ergänzt wird. Diese Praktika orientieren sich an den entsprechenden Ausbildungsordnungen und erlauben (zusammen mit den Studienleistungen) die Anmeldung zu einer Kammerprüfung ohne vorausgegangenes Ausbildungsverhältnis.

Für die Umsetzung des Modells ist die enge Kooperation und Abstimmung der Beteiligten eine wesentliche Voraussetzung. Derzeit wird das Studienmodell gut angenommen und stößt auf großes Interesse auch bei potenziellen Lehramtsstudierenden ohne vorherige Berufsausbildung, die bislang das Lehramt an Berufsbildenden Schulen noch nicht in den Fokus genommen hatten. Vor diesem Hintergrund kann man davon ausgehen, dass das Modell langfristig einen Beitrag dazu leisten kann, neue Zielgruppen für das Studienangebot zu erschließen. Um das zu gewährleisten wird das Angebot in Sachsen mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit unterstützt und verbreitet.

Die Möglichkeit über systematisch integrierte Praxisphasen während des Lehramtsstudiums eine berufliche Ausbildung mittels externer Prüfung an der IHK oder Handwerkskammer abschließen zu können, ist bislang einmalig in Deutschland. Auch für andere Regionen könnte das Modell aber interessant sein, um einerseits die Qualität der dualen Ausbildung zu gewährleisten und andererseits den Nachwuchs an Lehrkräften für berufsbildende Schulen zu sichern.

Der (Praxis-)Beitrag stellt das aktuelle Modell mit seinen Chancen und Herausforderungen vor.

Literatur:

Niethammer, Manuela/Hartmann, Martin (2015): Kooperative Ausbildung im technischen Lehramt. Kompetenzorientierte Lehrerbildung für berufsbildende Schulen im gewerblich-technischen Bereich, Bielefeld: W. Bertelsmann.

Spöttl, Georg/Becker, Matthias/Vollmer, Thomas (2012): Lehrerbildung in Gewerblich-Technischen Fachrichtungen, Bielefeld: W. Bertelsmann.

Prof. Dr. Rolf Koerber

Technische Universität Dresden

Fakultät Erziehungswissenschaften

Institut für Berufspädagogik/Berufliche Didaktik

01062 Dresden

E-Mail: rolf.koerber@tu-dresden.de

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Berufliche Bildung und Abitur: Die Entwicklung beruflicher Orientierung und fachlichen Interesses im beruflichen Gymnasium für Ingenieurwissenschaften

Im Rahmen des im länderübergreifenden Schulversuch „Berufliches Gymnasium für Ingenieur-wissenschaften“ wird „Ingenieurwissenschaften“ durch die Länder Sachsen-Anhalt (2013), Nordrhein-Westfalen (2014) und Hamburg (2016) als neues Profilfach der gymnasialen Oberstufe eingeführt. Im Rahmen des Bildungsauftrags erwerben die Schüler/-innen technische Fachkenntnisse, entwickeln einen Überblick über ein Methodenverständnis der Ingenieurwissenschaften und erhalten eine Orientierung über Ausbildungsberufe, Studiengänge und Bildungswege im Bereich der Disziplinen Bau-, Elektro- und Metall- bzw. Maschinenbautechnik.

Die aktuell vorliegenden konzeptionellen und empirischen Zwischenergebnisse bieten einen ersten vergleichenden Überblick über organisatorische Rahmenbedingungen, Umsetzungsstrategien und Bildungsverläufe. Zu drei Aspekten, die mit den Besonderheiten der einbezogenen beruflichen Disziplinen zu tun haben, gibt der vorliegenden Beitrag Auskunft:

1.   Die berufsbildenden Schulen der Bundesländer Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt verfolgen unterschiedliche Formen der Unterrichtsorganisation und des Lehrkräfteeinsatzes, die von einer disziplinübergreifenden Aufgabenwahrnehmung der Lehrkräfte bis zur Arbeit in Teams von Lehrkräften der Bau-, Elektro- und Metall- bzw. Maschinenbautechnik gehen. Der Beitrag gibt einen ersten Überblick.

2.   Erste Aussagen können zur Entwicklung des fachlichen Interesses und der beruflichen Orientierung im Verlauf der gymnasialen Oberstufe getroffen werden. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass sich diese für die einbezogenen Disziplinen sehr unterschiedlich und zwischen Bau-, Elektro- und Metall- bzw. Maschinenbautechnik keineswegs gleich-gewichtig erfolgen.

3.   Darüber hinaus liegen erste Aussagen darüber vor, wie sich über den Verlauf der gymnasialen Oberstufe die Orientierung der Schüler/-innen auf individuelle Bildungswege zwischen beruflicher Ausbildung, ingenieurwissenschaftlichem Studium und ingenieur-pädagogischer Ausbildung (Lehrkraft an berufsbildenden Schulen) entwickelt.

Es ist Anliegen des Beitrags, über aktuelle Umsetzungsstrategien und Erkenntnisse zu informieren und aktuelle Fragestellungen besonders aus der Sicht der elektro- und metalltechnischen Lehrkräfte aufzuzeigen.

Prof. Dr. Klaus Jenewein

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Ingenieurpädagogik und gewerblich-technische Fachdidaktiken

Zschockestr. 32

39104 Magdeburg

E-Mail: jenewein@ovgu.de

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Dipl.-Gwl. Alexander Unger

Florian Winkler MA

Otto-Von-Gutricke-Universität Magdeburg

Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik

Zschokkestraße 32

39104 Magdeburg

E-Mail: alexander.unger@ovgu.de; florian.winkler@ovgu.de


Übergang und Integration staatlich geprüfter Techniker/-innen in ingenieurpädagogische Ausbildungsprogramme zum Lehramt an berufsbildenden Schulen

Staatlich geprüfte Techniker/-innen befinden sich im europäischen Qualifikationsrahmen auf der gleichen Niveaustufe wie Absolventen von Bachelor-Studiengängen. Die Hochschulqualifikationsverordnungen der Länder ermöglichen Technikern/-innen jedoch lediglich den Zugang in universitäre Studienprogramme, also den Beginn eines Bachelorstudiums; dieser Zugangsweg wird bislang faktisch nicht wahrgenommen. Dabei bringen Techniker/-innen Kompetenzen mit, die für ingenieurpädagogische Studiengänge bedeutsam sind: Neben einschlägigen Ausbildungs- und Berufserfahrungen – wichtige Grundlage für lernfeldorientierten Unterricht – wer-den in knapp 2.500 Unterrichtsstunden sehr umfangreiche fachtheoretische Kenntnisse erworben und in der Prüfung nachgewiesen. Es liegt die Überlegung auf der Hand, diese Klientel bei ihrem Übergang in ingenieurpädagogische Studiengänge zu unterstützen und ihre Kompetenzen neu zu bewerten.

Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) arbeitet mit berufsbildenden Schulen des Landes Sachsen-Anhalt zusammen, um eine effektive Verzahnung der Berufs- und Hoch-schulbildung zu gewährleisten und hierbei sowohl die Vorbereitung auf ein Hochschulstudium im Rahmen der Fachschule für Technik auszubauen als auch eine umfassendere Berücksichtigung mitgebrachte Kompetenzen im Hochschulstudium zu erreichen. Aktuell liegen hierzu vor

     eine Studie zum quantitativen Vergleich von Ausbildungs- und Studienanforderungen in Fachschulen und Studiengängen der Elektro- und Metall- bzw. Maschinenbautechnik,

     eine Analyse der inhaltlichen Abdeckung der Studienanforderungen in ausgewählten Unterrichtsfächern und ingenieurwissenschaftlichen Studienmodulen sowie

     eine vergleichende Studie zum Niveauvergleich zwischen Fachschule für Technik einerseits und universitärem Bachelorstudium andererseits am Beispiel ausgewählter Module der Elektro- und Metall- bzw. Maschinenbautechnik.

Im Beitrag werden – neben rechtlichen Aspekten – diese Ergebnisse vorgestellt und Überlegungen entwickelt, wie die Durchgängigkeit zwischen Fachschule für Technik und Universitätsstudium auf den vier Dimensionen Zugang, Anrechnung, organisationale Verbindung sowie Umgang mit heterogenen Bedürfnissen weiter entwickelt werden kann. Vor diesem Hintergrund wird aufgezeigt, wie eine Gewinnung neuer Zielgruppen für die berufliche Lehrerbildung, damit die Sicherung der Lehrkräfteversorgung in den technisch-beruflichen Fachrichtungen sowie die Gewinnung von Lehrkräften mit umfangreichem betrieblichen Erfahrungshintergrund erreicht werden können. Gleichzeitig werden neue Perspektiven für die Absolventen/-innen der Fachschulen für Technik aufgezeigt.

Prof. Dr. Klaus Jenewein

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Ingenieurpädagogik und gewerblich-technische Fachdidaktiken

Zschockestr. 32

39104 Magdeburg

E-Mail: jenewein@ovgu.de


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Dr.-Ing. Olga Zechiel

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Ingenieurpädagogik und gewerblich-technische Fachdidaktiken

Zschockestr. 32

39104 Magdeburg

E-Mail: olga.zechiel@ovgu.de.


NewStart – betriebliche Ausbildung als Chance für Studienaussteiger/-innen

Kleine und mittlere Unternehmen haben zunehmend Probleme, geeignete Auszubildende zu finden und bilden deshalb häufig nicht mehr aus. Gründe dafür sind u.a. der demografische Wandel und der Trend zu Abitur und Studium. Nicht alle, die ein Studium an Bremer Hochschulen aufgenommen haben, schließen es erfolgreich ab. Die Abbruchquote bei Bachelor-Studierenden liegt bei ca. 30 Prozent. Für die jungen Menschen bedeutet ein Studienabbruch häufig eine große biografische Herausforderung. Sie benötigen Angebote für einen alternativen Weg ins Berufsleben. Die Chancen, die sich durch eine betriebliche Aus- und Weiterbildung ergeben, sind ihnen oft unbekannt. Die Unternehmen könnten die Potenziale von Studienaussteiger/-innen nutzen und ihnen attraktive berufliche Perspektiven aufzeigen, um ihren Fachkräftebedarf abzusichern.

Das Projekt „NewStart“ - das im Verbund vom Institut Technik und Bildung (ITB) - Universität Bremen und dem Bildungszentrum der Wirtschaft im Unterwesergebiet e.V. (BWU) durchgeführt wird - unterstützt seit 2015 Studienaussteiger/-innen bei der beruflichen Neuorientierung, zeigt alternative Perspektiven im Rahmen von betrieblichen Aus- und Weiterbildungen auf und stellt passgenaue Kontakte insbesondere zu kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) her.

In Kooperation mit der Universität und der Hochschule sowie Kammern, Verbänden und der Arbeitsagentur wird in Bremen ein durchgängiges Informations-, Beratungs- und Vermittlungsangebot für Studienaussteiger/-innen zur Integration in Aus- und Weiterbildung implementiert:

-     Zur frühzeitigen Erreichung von Studienzweiflern erfolgt die Ansprache über verschiedene Medien (Flyer, Presse-, TV-, Radiobeiträge, Projekt-Homepage), Informationsveranstaltungen und Workshops. Interessierte werden individuell zu alternativen beruflichen Perspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten beraten. Sie erhalten Informationen zu dem gesamten Spektrum an Ausbildungsberufen sowie Unterstützung bei der Berufswahlentscheidung, der Erstellung von Bewerbungsunterlagen und der Vermittlung von Kontakten zu Ausbildungsbetrieben. Zusätzlich wird ein Coaching zur Vorbereitung auf die betrieblichen Auswahlverfahren angeboten.

-     Parallel werden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) für die neue Zielgruppe als potenzielle Auszubildende sensibilisiert, zu den Möglichkeiten verkürzter Ausbildung beraten und bei der Gestaltung attraktiver Aus- und Weiterbildungsangebote unterstützt. 

Die bisherigen Projektergebnisse zeigen, dass mit gezielten und aufeinander abgestimmten Unterstützungsangeboten für Studienzweifler und Unternehmen der Wechsel junger Menschen von der hochschulischen in die berufliche Bildung zu einer attraktiven Alternative werden kann.

Das JOBSTARTER plus - Projekt „NewStart“ wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Europäischen Sozialfonds gefördert.

Annette Fischer

Bildungszentrum der Wirtschaft im Unterwesergebiet e.V. Bremen

Schillerstraße 10

28195 Bremen

E-Mail: fischer@bwu-bremen.de

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Duales Studium mit dem Schwerpunkt AusbildungPlus

Duale Studienangebote erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Diese Entwicklung begrüßt und unterstützt eine Vielzahl von Akteuren in der beruflichen Bildung. Es entstehen neue Interessensgruppen und zum andern neue Formen des Zusammenwirkens von Hochschulen mit Betrieben sowie anderen Bildungseinrichtungen. Die damit verbundenen Kooperationen fördern das gegenseitige Verständnis. Innovative Bildungsangebote zur Fachkräftesicherung, eine Erweiterung des Kompetenzspektrums sowie die Gestaltung individueller Bildungsbiografien werden ermöglicht.

Der Vortrag greift die intensiven Diskussionen zum Thema Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung auf. Im Rahmen des Arbeitskreises soll u.a. der Frage nachgegangen werden, ob das duale Studium als eines der bekanntesten Modelle von hybriden Bildungsformaten das Potenzial hat, als Lösungsansatz für eine nachhaltige Fachkräftesicherung einbezogen zu werden.

Auf der Grundlage der Auswertungen von AusbildungPlus werden die aktuellen Trends und Entwicklungen der dualen Studiengänge dargestellt. Dabei wird beispielhaft auf ausgewählte Fachrichtungen und Ausbildungsberufe in den Bereichen Elektro/ Metall fokussiert.

www.ausbildungplus.de

Silvia Hofmann

Bundesinstitut für Berufsbildung

Robert-Schuman-Platz 3

53175 Bonn

E-Mail: hofmann@bibb.de

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Quereinstieg in den Lehrerberuf - Das Modell Sachsen

Der Mangel an qualifizierten Berufsschullehrern stellt sich sehr vielschichtig dar. Die einzelnen Bundesländer gehen unterschiedliche Wege, den Mangel zu beseitigen. Die vielfältigen Möglichkeiten, die Sachsen nutzt, aber gleichzeitig um grundständige Ausbildung wirbt, sollen im Vortrag vorgestellt werden.

Dirk Bachmann

Ausbildungsstätte f. d. H. L. an Berufsbildenden Schulen

Atrium „Am Rosengarten“

Hoyerswerdaer Straße 1

01099 Dresden

E-Mail: Dirk.Bachmann@sbad.smk.sachsen.de

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Das “Flensburger Modell”: Master of Vocational Education

Der Flensburger Masterstudiengang „Master of Vocational Education / Lehramt an beruflichen Schulen“ baut grundsätzlich auf ein einschlägiges Bachelor- oder Diplomstudium der Ingenieurwissenschaften auf und vermittelt in vier Semestern (Vollzeit) berufspädagogische, berufs- und fachwissenschaftliche sowie didaktische Kompetenzen für die spätere Tätigkeit im beruflichen Schulwesen oder in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Der Masterabschluss des akkreditierten Studiengangs wird als Erstes Staatsexamen anerkannt.

Auf dem Campus Flensburg gibt es hierzu ein zwischen (Fach)Hochschule und Universität und abgestimmtes, konsekutives Studium für das Lehramt an beruflichen Schulen. Nach einem Studium des Maschinenbaus oder der Energiewissenschaften an der (Fach)Hochschule Flensburg (B. Eng.) mit dem Studienschwerpunkt Berufliche Bildung können die Absolventen in den Studiengang „Master of Vocational Education / Lehramt an beruflichen Schulen“ an der Europa-Universität Flensburg einsteigen und den Master of Education (M.Ed.) erwerben.

Absolventen von einschlägigen Bachelor- oder Diplomstudiengängen mit anderen Schwerpunkten oder von anderen (Fach)Hochschulen  können ebenfalls in den Masterstudiengang einsteigen. Für diese Studierenden werden die entsprechenden Module aus dem Bachelor-Studiengang im Umfang von 17 LP studienbegleitend zum Master-Studium angeboten.

Im Teilstudiengang Elektrotechnik, Fahrzeugtechnik, Informationstechnik oder Metalltechnik (Berufliche Fachrichtung) werden im Umfang von 18 CP die im Bachelor- oder Diplom-Studium erworbenen ingenieurwissenschaftlichen Kompetenzen fachdidaktisch erweitert. Unter anderem werden berufswissenschaftliche und berufsbildungspraktische Studien durchgeführt und wissenschaftlich fundierte, begründete und reflektierte Konzeptionen für beruflichen Unterricht entwickelt. Im Teilstudiengang des allgemein bildenden Studienfaches im Umfang von 60 CP können die Fächer Mathematik, Physik, Wirtschaft/Politik und Englisch gewählt werden. Im Teilstudiengang Berufspädagogik im Umfang von 27 CP werden berufspädagogische und erziehungswissenschaftliche Kompetenzen erworben.

Prof. Dr. Reiner Schlausch

Europa-Universität Flensburg

Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik (biat)

Berufliche Fachrichtung Metalltechnik

Auf dem Campus 1

24943 Flensburg

E-Mail: reiner.schlausch@uni-flensburg.de

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Beruflich Qualifizierte auf dem Weg zum Lehramt − Erfahrungen aus dem Bachelorstudiengang „Berufliche Bildung“ der Universität Bremen

Seit dem Wintersemester 2012/2013 kann an der Universität Bremen der berufsbegleitende Bachelorstudiengang „Berufliche Bildung mit den beruflichen Fachrichtungen Elektrotechnik-Informationstechnik sowie Metalltechnik-Fahrzeugtechnik“ studiert werden. Zulassungsvoraussetzungen für das Studium sind alternativ das Abitur, die Meisterprüfung, der Technikerabschluss oder andere berufliche Weiterbildungsabschlüsse. Traditionelle (Abiturient/innen) und nicht-traditionelle Studierende (beruflich Qualifizierte) studieren im Studiengang gemeinsam.

Der Bachelorstudiengang Berufliche Bildung ist damit ein Beispiel für die konkrete Realisierung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung. Im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes BP@KOM konnten die Erfahrungen der Studiengangorganisatoren, der Lehrender und der Studierenden systematisch evaluiert werden

Der Beitrag geht zunächst in einem kurzen Portrait auf die Konzepte des Studiengangs ein, hierbei geht es vor allem um Zeitstrukturen, Anrechnung beruflicher Lernergebnisse auf der Basis von Äquivalenzvergleichen (vgl. Müskens et al. 2009) sowie um Brückenkurse. In einem zweiten Schritt wird die Zielgruppe der Beruflich Qualifizierten skizziert. Im dritten Schritt geht es um konkrete Ergebnisse der Evaluation in Hinblick auf folgende Fragen:

     Studieren Beruflich Qualifizierte (genauso) erfolgreich in Hinblick auf Studienabschlüsse und das erreiche Niveau?

     Welchen Herausforderungen begegnen Berufliche Qualifizierte in ihrem Studium und mit welchen Strategien begegnen sie diesen?

     Welche Herausforderungen stellen sich der Studiengangorganisation, welche Unterstützungsmaßnahmen für die heterogene Studierendengruppe sind notwendig?

Quellen:

Müskens, W.; Tutschner, R.; Wittig, W.: Improving Permeability through Equivalence Checks: an Example from Mechanical Engineering in Germany. In: R. Tutschner, W. Wittig, J. Rami (Hrsg.) (2009). Impuls Band 38. Herausgeber: Nationale Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung. S. 10-33.

Dr. Claudia Fenzl

Universität Bremen

Institut Technik & Bildung (IT+B)

Am Fallturm 1

28359 Bremen

E-Mail: fenzl@uni-bremen.de

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Das Modell Niedersachsen: Konsekutiv für alle Zielgruppen zur Lehrkraft an berufsbildenden Schulen studieren

Angesichts des anhaltenden Mangels an ausgebildeten Lehrkräften für die berufsbildenden Schulen, vor allem in den Mangelfachrichtungen Elektrotechnik, Fahrzeugtechnik und Metalltechnik, suchen die Hochschulen nach geeigneten Konzepten, um für möglichst alle in Frage kommenden Zielgruppen ein Studienangebot zu schaffen. Dies ist schon deshalb derzeit eine der wichtigsten Aufgaben, weil die Alternative zur Zeit darin besteht, dass die Länder an einem Studium vorbei „Sondermaßnahmen“ zur Rekrutierung von Berufsbildungspersonal umsetzen. Über diese können Ingenieure oder Pädagogen in berufsbildenden Schulen tätig werden, was die Qualität deren Arbeit, darüber hinaus aber auch des beruflichen Schulsystems oder gar des dualen Systems überhaupt in Frage stellt. Zudem stellen die „Sondermaßnahmen“ mittlerweile faktisch eher Regelmodelle zur Rekrutierung von Lehrkräften dar, während die originären Lehramtsstudiengänge wenig nachgefragt werden (vgl. dazu die Hannoveraner Erklärung der gtw unter http://www.gtw-ag.de/wp-content/uploads/2016/10/hannoveraner-erklaerung-2016.pdf).

In Niedersachsen existieren grundständige Bachelor-/Master-Studiengänge für die Mangelfachrichtungen in Hannover und Osnabrück, um jungen Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung die Aufnahme eines Lehramtsstudiums zu ermöglichen. Die Absolventenzahlen dieser beiden Standorte in den Mangelfachrichtungen sind jedoch sehr gering und betragen oft nicht mehr als fünf angehende Lehrkräfte in der beruflichen Fachrichtung Metalltechnik pro Jahr. Im Wintersemester 2014/2015 waren beispielsweise in Osnabrück 25 und in Hannover gar nur 5 Metalltechnik-Studierende im Masterstudiengang eingeschrieben (3 Absolventen), während in den zugehörigen Bachelorstudiengängen teils eine recht beachtliche Zahl an Studierenden verzeichnet werden konnte. Wie die in der Zeitschrift „Die berufsbildende Schule“ regelmäßig veröffentlichten Statistiken zeigen, reihen sich diese Standorte mit ihren Studierendenzahlen nahtlos in das Feld der anbietenden Hochschulen ein; d. h., dass bundesweit nur marginale Studierendenzahlen in Masterstudiengängen zu verzeichnen sind. Erfolgreich(er) scheinen hier aber insbesondere Konzepte zu sein, die

     für mehrere Zielgruppen ein Studienangebot vorhalten können;

     ein grundständiges und homogenes Studium mit eigenständigem Profil ohne große Abhängigkeiten von ingenieurwissenschaftlich ausgerichteten Studiengangkonzepten anbieten können;

     ein Master-Studienangebot für Ingenieure anbieten können.

Seit der Novellierung der Rahmenvereinbarung für das Lehramt Typ V der KMK im März 2016 wird vor allem der dritte Punkt für die Hochschulen attraktiv, da dadurch die Bildungswissenschaften, das Unterrichtsfach und die Fachdidaktiken vollumfänglich im Masterstudiengang studiert werden können.

In Niedersachsen fand vor diesem Hintergrund im Jahr 2016 eine Debatte zwischen den beteiligten Hochschulen, dem Kultusministerium und dem Wissenschaftsministerium mit dem Ziel statt, ein „niedersächsisches Modell“ für die Ausbildung von Lehrkräften zu entwickeln, mit dem die Studierendenzahlen erhöht werden können. Diese Debatte mündete in die Konzeption eines speziellen Masterstudiengangs für Ingenieure in Hannover. Dieser soll zusätzlich zum bestehenden konsekutiven Modell angeboten werden. In Hannover wird dieser Studiengang namens LBS-SprintING zum WS 2016/17 erstmals Studierende immatrikulieren können; in Osnabrück besteht bereits ein Quereinstiegs-Masterstudiengang, der allerdings noch umstrukturiert werden muss, damit er akkreditierungsfähig ist. Der Beitrag konzentriert sich auf das Hannoveraner Modell und stellt die Gesamtkonzeption des Studiengangs mit dem Bachelor Technical Education (B.Sc.), dem Master Lehramt an berufsbildenden Schulen (M.Ed.) sowie dem neuen Master Lehramt an berufsbildenden Schulen für Ingenieure (M.Ed.) vor und stellt diese zur Diskussion. Dabei stehen konzeptionelle Fragen der Gestaltung wie auch organisatorische Fragen der Akkreditierung, Machbarkeit und Studierbarkeit im Mittelpunkt. Es soll auch eine Diskussion zu den Wirkungen und zur Erreichbarkeit der Zielgruppen stattfinden.

Prof. Dr. Matthias Becker

Leibniz-Universität Hannover

Institut für Berufswissenschaften der Metalltechnik – IBM

Leibniz Universität Hannover

Appelstraße 9

30167 Hannover

E-Mail: becker@ibm.uni-hannover.de

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Das duale Master-Modell in Nordrhein-Westfalen/Siegen

Zum Begriff „Duales Modell“

Durch eine veränderte Erlasslage wird es den Hochschulstandorten in Nordrhein-Westfalen ermöglicht, zum jetzt beginnenden Sommersemester 2017 einen Aufbaustudiengang „Master of Education – Lehramt Berufskolleg“ mit jeweils hochaffinen Fächerkombinationen anzubieten.

Zusätzlich wird dabei die Möglichkeit eingeräumt, diesen Studiengang zeitlich von vier auf sechs Semester zu strecken, so dass die Studierenden zugleich ein Angebot der jeweiligen Bezirksregierung annehmen können, bei reduzierte Pflichtstundenzahl und vollem E11-Gehalt an einem Berufskolleg zu unterrichten. Diese Möglichkeit eines berufsbegleitenden MA-Studiengangs wird von den Projektbeteiligten üblicher Weise als „dualer BK-Lehramtsmaster“ bezeichnet.

Kernvoraussetzung für dieses Modell ist dabei, dass seitens der Berufskollegs vakante Stellen in solche Stellen für ein berufsbegleitendes Studium umgewandelt werden – die Schulen also bewusst auf ein jeweils halbes Lehrdeputat verzichten mit der Option, auf diese Weise qualifiziertes und akademisch voll ausgebildetes Lehrpersonal auszubilden.

Studiengangsstruktur – und inhalte

Grundsätzliche Annahme für einen solchen Aufbaustudiengang ist, dass durch ein bereits ingenieurwissenschaftlich orientiertes BA-Fachstudium sowohl für die große wie für die kleine Fachrichtung eine ausreichende Studienleistung erbracht wurde – hier also keine weiteren fachlichen Auflagen im MA-Studium zu erbrinden sind.

Das Aufbaustudium selbst ist dann geprägt durch ein verzahntes Studium von Erziehungswissenschaften, Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Fachdidaktik, Lernpsychologie und Migration-/Inklusionsforschung. Es folgt das nach dem Lehrerausbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen übliche Praxissemester sowie im vierten MA-Semester dann im Wesentlichen die entsprechend unterstütze /flankierte Anfertigung der Master-Thesis.

Diskussion des Modells

Das Modell muss als Antwort auf folgendes Problem verstanden werden: Die Aufnahme eines grundständigen Lehramtsstudiums für den Schultyp VI erschien bislang wenig attraktiv, da mit gleichem Studienaufwand und hoher Kongruenz der Studieninhalte ein Ingenieurabschluss erworben werden konnte. Aus diesem Mangel an substanziellen Lehrkräften resultierten die diversen Quer- und Seiteneinstiegsmodelle als die eigentlichen Zugänge zum Beruf „Lehramt BK“. Jedoch wurde ebenso deutlich, dass damit ein Personal gewonnen werden konnte, was genau nicht pädagogisch und didaktisch sich in der Weise qualifizieren konnte, dass es auch tatsächlich Schulentwicklung betreiben kann. Anderseits konnte dieses auch immer weniger verlangt werden, weil der bislang unbezahlte Aufwand hierfür die Attraktivität zum Wechsel aus der Ingenieur- in die Lehrtätigkeit wiederum entscheidend senkte.

Das vorab vorgestellte „duale Modell“ setzt genau an diesem Punkt an, indem eine bezahlte pädagogisch-didaktische Professionalisierung für die Bereich der Unterrichts- und damit zusammenhängend Schulentwicklung ermöglicht. Ebenso bedeutet dieses jedoch eine Zunahme ´von Lehrkräften mit hochaffiner Fächerkombination und damit ein beibehalten des Mangels von spezifisch ausgebildeten Lehrkräften, um die allgemeinbildender Fächer des „zweiten Bildungswegs“ den Prinzipien der Berufsdidaktik folgend (integrativ) zu unterrichten. Das Modell arbeitet damit gegen den Lehrkräftemangel insbesondere für den wesentlichen Bereich der dualen Berufsausbildung an, kann jedoch nicht als Königsweg gesehen werden, um beruflicher Bildung als Gesamtalternative gemäß den Vorgaben der Ordnungsmittel zu erhalten.

Prof. Dr. Ralph Dreher

Universität Siegen

Lehrstuhl für Didaktik der Technik am Berufskolleg

Breite Strasse 11

57076 Siegen

E-Mail: dreher.tvd@uni-siegen.de

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Notwendigkeit der weiteren Professionalisierung der Lehrerbildung im gewerblich-technischen Bereich durch „Industrie 4.0“

Der Beitrag thematisiert die möglichen Auswirkungen der sich zz. vollziehenden technologischen Innovationen, die unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ subsumiert werden, auf die Professionalisierung der Lehrenden in den beruflichen Fachrichtungen der Metall- und Elektrotechnik. Zunächst wird eine Analyse der technologischen Veränderungen in ihren Auswirkungen auf die Berufsausbildung in den industriellen Metall- und Elektroberufen vorgenommen. Im Sinne des doppelten Praxisbezuges der Lehrerbildung hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die Professionalisierung in allen Phasen. Exemplarisch wird zum einen ein Vorschlag auf Strukturebene und zum anderen ein konkretes hochschuldidaktisches Konzept im Kontext von „Lernfabriken“ diskutiert. Ziel soll neben der besseren Vorbereitung auf die neuen Anforderungen in einer Lernfabrik 4.0, auch die Erhöhung der Attraktivität der Lehrerbildung in Baden-Württemberg sein.

Folgenden Veränderungen und neue Themenstellungen für das Lehramtsstudium an beruflichen Schulen werden benannt und diskutiert:

    Engeres Zusammenarbeiten der unterschiedlichen Fachrichtungen an gemeinsamen Fragestellungen zu Industrie 4.0 und Ergänzung um Schwerpunkte, die auf ein vernetztes Handeln und Denken bezogen sind.

    Konsequenzen der Gestaltung der Mensch-Maschinen-Schnittstelle auf Mensch, Organisation und Gesellschaft (Assistenzsystem versus Automatisierungssystem).

    Entwicklung und Erprobung von didaktischen Konzepten, die eine wirksame Umsetzung von Lern- und Arbeitsaufgaben nahe den realen Arbeitsprozessen innerhalb von Lernumgebungen (wie die Lernfabriken) gewährleisten. Hierzu zählt auch, Möglichkeiten und Grenzen von berufs- und fachdidaktischen Lernformen zur Förderung des selbstständigen und problemlösenden Lernens sowie Fragen der Gestaltungsorientierung ausführlich thematisieren zu können.

Im letzten Teil wird ein hochschuldidaktischer Ansatz zur Integration der Lernfabriken 4.0 in Baden-Württemberg in die Lehrerbildung vorgestellt. In einem regionalen Verbund soll im Kontext der kooperativen Studiengänge B.Eng. /M.Sc. Ingenieurpädagogik der PH Schwäbisch Gmünd und der HS Aalen, deren Masterabsolvent_innen auch den Zugang zur zweiten Phase der Lehramtsausbildung („Referendariat“) erhalten, ein profilbildendes Modul für die Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen zu Industrie 4.0 entwickelt und erprobt werden. In Zusammenarbeit mit zwei beruflichen Schulen, an denen jeweils eine Lernfabrik implementiert und didaktisch-konzeptionell entwickelt wird, wird dies in dem bereits bestehenden und entsprechend zu adaptierenden fachdidaktischen Projektseminar im Masterstudium als problem- und forschungsbasiertes Lernen zu verankern.

Prof. Dr. Uwe Faßhauer

Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd

Institut für Bildung, Beruf und Technik

Abteilung: Technik

Oberbettringer Straße 200

73525 Schwäbisch Gmünd

E-Mail: axel.grimm@biat.uni-flensburg.de

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Prof. Dr. Lars Windelband

Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd

Institut für Bildung, Beruf und Technik

Abteilung: Technik

Oberbettringer Straße 200

73525 Schwäbisch Gmünd

E-Mail: lars.windelband@ph-gmuend.de


Information und Quellenglaubwürdigkeit bei der Lehramtsstudienwahl: Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel

In Nordrhein-Westfalen (NRW) gibt es vielerlei Bestrebungen und Maßnahmen, die Studierendenzahlen der Studiengänge für das Lehramt an Berufskollegs (BKs) in den gewerblich-technischen Fachrichtungen Elektrotechnik und Maschinenbautechnik zu erhöhen, um dem strukturellen Mangel an Lehrkräften entgegenzuwirken. Bislang konnten die Studierendenzahlen allerdings noch nicht wesentlich gesteigert werden (vgl. Tettenborn 2015). Bei der Beschäftigung mit der Problematik wird in der Regel vernachlässigt, dass Studienwahlentscheidungen im Bachelor-Master-System – also auch die der Lehramtsstudienwahl für BKs in NRW – für Studieninteressierte eine Folge von Entscheidungen unter Unsicherheit darstellen. Informationsasymmetrien bestehen einerseits bezüglich der Eigenschaften von Studiengängen (vgl. Mause 2010) und andererseits bezüglich des Wahrheitsgehalts von Informationen der Informationsquellen, die von den Studieninteressierten zum Ausgleich der Informationsdefizite über Studiengangeigenschaften genutzt werden können (vgl. Swagler 1978). Fehlentscheidungen bei der Studienwahl können die Folge der Informationsasymmetrie sein. Im Rahmen dieses Beitrags wird der Frage nachgegangen, auf welcher Informationsgrundlage die Studienwahl bezüglich des Lehramtsstudiums von den Studieninteressierten getroffen werden kann (und wird). Im Fokus steht hierbei das Lehramtsstudium der gewerblich-technischen Fachrichtungen Elektrotechnik und Maschinenbautechnik für das Lehramt an BKs in NRW. Im Rahmen einer informationsökonomischen Analyse (vgl. Nelson 1970; Darby & Karni 1973) wird in einem ersten Schritt betrachtet, welche Informationen und Informationsasymmetrien vor und nach Studienbeginn existieren. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Informationsasymmetrien bezüglich Eigenschaften von Lehramtsstudiengängen existieren, die über den Studienverlauf hinweg nicht abgebaut werden können, sodass die Nichtwahl der Lehramtsstudiengänge der Mangelfächer darauf zurückgeführt werden kann. In einem zweiten Schritt wird die Glaubwürdigkeit der von Studieninteressierten genutzten Informationsquellen, wie beispielsweise Hochschulen, mit Hilfe der Quellenglaubwürdigkeitstheorie (vgl. Eisend 2003) analysiert. Abschließend werden Implikationen für die Gewinnung von zusätzlichen Studierenden für die gewerblich-technischen Mangelfächer des Lehramts für Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen abgeleitet, um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken.

Literatur

Darby, M. & Karni, E. (1973): Free Competition and the Optimal Amount of Fraud. In: The Journal of Law & Economics, Jg. 16, H. 1, S. 67-88.
Eisend, M. (2003): Glaubwürdigkeit in der Marketingkommunikation. Konzeption, Einflussfaktoren und Wirkungspotenzial.
Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden.
Mause, K. (2010): Considering Market-Based Instruments for Consumer Protection in Higher Education. In: Journal of Consumer Policy, Jg. 33, H. 1, S. 29-53.
Nelson, P. (1970): Information and Consumer Behavior. In: Journal of Political Economy, Jg. 78, H. 2, S. 311-329.

Swagler, R. (1978): Students as Consumers of Postsecondary Education: A Framework for Analysis. In: The Journal of Consumer Affairs, Jg. 12, H. 1, S. 126-134.
Tettenborn, S. (2015): Studierendenzahlen in den beruflichen Lehramtsstudiengängen - Prekäre Entwicklungen für die gewerblich-technischen Fachrichtungen. In: Die berufsbildende Schule, Jg. 67, H. 2, S. 58-64.

Dipl. oec. Nadja Markof

Universität Siegen

Technical Vocational Didactics (TVD)

Breite Strasse 11

57076 Siegen

E-Mail: markof.tvd@uni-siegen.de

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Von der didaktischen Reduktion zur berufsdidaktischen Aufbereitung

Die horizontale didaktische Reduktion Grüners oder auch vertikale Vereinfachung Herings gehen davon aus, dass diese zur „Faßlichkeit naturwissenschaftlicher und technischer Aussagen“ beitragen (Hering 1959) und so eine wesentliche Voraussetzung für den technischen Unterricht darstellen. Auch Grüner ging davon aus, dass man Inhalte für den Unterricht reduzieren müsse, ohne dass dabei eine wissenschaftliche Verklärung stattfindet; reduzierte Inhalte müssen wissenschaftlich wahr bleiben. Der didaktische Ansatz der horizontalen didaktischen Reduktion war dann dadurch gekennzeichnet, dass man wissenschaftliche Aussagen konkreter darstellt – „oft unter Zuhilfenahme von Analogien, Metaphern und Beispielen – und damit leichter zugänglich“ (Grüner 1967, S. 421) macht. Eine Konfrontation der Lernenden mit den differenzierten wissenschaftlichen Aussagen – so die sich dahinter verbergende These – sei für diese nicht fasslich und behindere daher das Erlernen des Inhalts.

Sicherlich steht etwa die Aussage „Groß ist des Schlossers Kraft, wenn er mit dem Hebel schafft“ nicht im Gegensatz zur mathematisierten Definition des Drehmoments: . Jedoch ist die Kompliziertheit der mathematischen Fassung dieses Inhalts ggf. für einen Unterricht in der Berufsschule zu groß; die mathematischen Methoden zur Behandlung des Kreuzproduktes stehen beispielsweise nicht zur Verfügung.

Solche Argumentationsketten gehen allerdings im Falle berufsbezogenen Lernens von zwei Irrtürmern aus:

1.   Der zu lernende Inhalt ist die fachwissenschaftliche Aussage;

2.   der Gültigkeitsbereich ist aus der Fachwissenschaft heraus zu betrachten.

In diesem Beitrag soll darauf eingegangen und daran angeknüpft werden, dass berufliches Handeln mit berufswissenschaftlichem Wissen verknüpft ist und aus diesem generiert wird. Inhalt ist also gar nicht allein eine fachwissenschaftliche Aussage, sondern in der Regel ein komplexes Gefüge vielfältiger Elemente, die kompetentem beruflichem Handeln zugrunde liegen. Mit dem Ansatz der Handlungs- und dann der Gestaltungsorientierung (Heidegger/Rauner 1997; Berben 2008, S. 206 ff.) wurde dies in den 1980er und 1990er-Jahren vielfach verdeutlicht und diskutiert, und spätestens seit der Einführung der Lernfelder sollte klar sein, dass die Kernaufgabe der Didaktik in einer sinnerweiternden statt einschränkenden Inhaltsaufbereitung besteht, die zu einem ganzheitlicheren Verständnis der Arbeits- und Lebenswelt beiträgt (vgl. Pahl 2013, S. 290). Klärungen auf der theoretischen Ebene – unter anderem zum Arbeitsprozesswissen (vgl. Fischer 2000) und zu curricularen Strukturen (vgl. Rauner/Spöttl 2002) – und entstandene didaktische Ansätze im Zuge der Einführung der Lernfelder (wie etwa das Unterrichten mit Lern- und Arbeitsaufgaben) haben zum Konzept der berufsdidaktischen Analyse geführt (Becker 2013). Mit dieser ist eine berufsdidaktische Aufbereitung der relevanten Inhalte für kompetentes berufliches Handeln verbunden. Dabei erfolgt ebenfalls eine Einschränkung der beruflichen Wirklichkeit; deren volle Komplexität und Kompliziertheit nicht Gegenstand des Unterrichts sein kann. Die Elemente, auf die sich solche Einschränkungen beziehen können bzw. nicht beziehen sollten, werden im Beitrag diskutiert.

Becker, M. (2013): Arbeitsprozessorientierte Didaktik. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 24, 1-22. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe24/becker_bwpat24.pdf  (25-06-2013).

Berben, Th. (2008): Arbeitsprozessorientierte Lernsituationen und Curriculumentwicklung in der Berufsschule. Bielefeld: Bertelsmann.

Fischer, M. (2000): Von der Arbeitserfahrung zum Arbeitsprozeßwissen. Rechnergestützte Facharbeit im Kontext beruflichen Lernens. Opladen: Leske + Budrich.

Grüner, G. (1967): Die didaktische Reduktion als Kernstück der Didaktik. In: Die Deutsche Schule, 59. Jg., Heft 7/8, S. 414-430.

Heidegger, G.; Rauner, F. (1997): Was heißt Gestaltungsorientierung in der Berufsschule? In: Heidegger, G.; Adolph, G.; Laske, G. (Hrsg.): Gestaltungsorientierte Innovation in der Berufsschule. Bremen: Donat, S. 83-121.

Hering, D. (1959): Zur Faßlichkeit naturwissenschaftlicher und technischer Aussagen. Berlin: Volk und Wissen.

Pahl, J. (2013): Bausteine beruflichen Lernens im Bereich „Arbeit und Technik“. Band 1: Berufliche Didaktiken auf wissenschaftlicher Basis. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Rauner, F.; Spöttl, G. (2002): Der Kfz-Mechatroniker - vom Neuling zum Experten. Bielefeld: Bertelsmann.

Prof. Dr. Matthias Becker

Leibniz-Universität Hannover

Institut für Berufswissenschaften der Metalltechnik – IBM

Leibniz Universität Hannover

Appelstraße 9

30167 Hannover

E-Mail: becker@ibm.uni-hannover.de

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Prozessbezogenes Unterrichten

Ausgangspunkt des lernfeldbezogenen Unterrichts ist nicht mehr die fachwissenschaftliche Theorie, zu deren Verständnis bei der Vermittlung möglichst viele praktische Beispiele herangezogen wurden. Vielmehr wird von beruflichen Problemstellungen ausgegangen, die aus dem beruflichen Handlungsfeld entwickelt und didaktisch aufbereitet werden. Das für die berufliche Handlungsfähigkeit erforderliche Wissen wird auf dieser Grundlage generiert.“ (Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe, 2011, S.10)

Diese Art des Unterrichtens erfordert also nicht die Darstellung von fachwissenschaftlichen Inhalten, die „reduziert“ werden müssen, damit sie von den Lernenden verstanden werden. Zentral ist stattdessen die Erstellung von dem beruflichen Handeln entspringenden Lernaufgaben, denen Analysen über Kriterien zur Einschätzung der Handlungssituation zugrunde liegen. Was das bedeutet und wie Lernsituationen konstruiert werden können, wird an Beispielen aus den Fachrichtungen Metall- und Elektrotechnik aufgezeigt.

Prof. Dr. Martin Hartmann

Technische Universität Dresden

Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken

Zi. 159

Weberplatz 5

01217 Dresden

E-Mail: martin.hartmann@tu-dresden.de

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Instandsetzung einer Automatisierungsanlage und Modernisierung zur „Modellfabrik 4.0“

Im Rahmen des Modules „Fachbezogenes Projekt“ arbeitete zwei Semester lang ein Projektteam der beruflichen Fachrichtung Elektro- und Informationstechnik am Projekt „Modellfabrik 4.0“. Ziel des Projekts ist die Planung und Realisierung einer „Modellfabrik 4.0“ basierend auf einer bestehenden Anlage und unter fachlichen und fachdidaktischen Gesichtspunkten.

Die „Modellfabrik“ ist ein in den 90er Jahre konzipiertes und für die Berufsschullehrerausbildung im Labor Elektrotechnik installiertes modulares Produktionssystem (MPS). Sie hat vier Stationen: Verteilen, Prüfen; Bearbeiten und Lagern.

Im Mittelpunkt komplexer Handlungen am MPS steht das vom SPS-Programm gesteuerte Zusammenwirken elektrischer und elektropneumatischer Stellglieder sowie elektrischer Sensoren.

Da die Modellfabrik aufgrund von Pannen und Alterungsprozessen kaum einsatzfähig ist, bekommt das Projektteam den Auftrag, die Anlage instand zu setzen, zu modernisieren und platzsparender (linear statt kompakt quadratisch) umzubauen.

Im Vortrag wird gezeigt, wie die Anlage unter Anwendung fachlicher, fachdidaktischer Methoden instandgesetzt sowie didaktisch reduziert und modelliert wurde, mit dem Ziel eine qualitätsorientierte Kompetenzentwicklung zu unterstützen.

Ergebnisse der Digitalisierungs- und Planungsarbeit (Dokumentation, Speicherung, Kommunikation, Visualisierung von Betriebs- und Produktionsdaten, Steuertechnik, Anlagenbau…) werden dargestellt und diskutiert.

Anschließend werden die erreichten Projektergebnisse im Hinblick auf die Kompetenzentwicklungsziele sowie auf die Projektziele ausgewertet und reflektiert.

Dr. Wendkouni J. Eric Sawadogo

Tobias Kozlowski

Martin Mueller

Georg Reuter

Technische Universität Dresden

Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken

Weberplatz 5

01217 Dresden

E-Mail: eric.sawadogo@tu-dresden.de

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Umsetzungsmöglichkeiten von Inklusion und Integration in der berufsschulischen Ausbildung von Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf – Grundproblematik, Fallbeispiele aus dem Berufsfeld Metalltechnik

Als Reaktion auf die sinkenden Lehrlingszahlen werden zur Sicherstellung des Fachkräftebedarfs von den Wirtschaftstreibenden neben den traditionell bevorzugten Lehranwärter/-innen auch vermehrt Jugendliche mit besonderen Bedarfen, Quereinsteiger/-innen und Personen mit Fluchterfahrung als Lehrlinge rekrutiert.

Die Berufsschulpflicht im dualen System führt dazu, dass die Berufsschulen vor die Aufgabe gestellt werden, alle Individuen mit ihren heterogenen Voraussetzungen und Lebenslagen bestmöglich zu fördern und als integrierend wirkender Lernort zu agieren. Die Heterogenität im Klassenzimmer fordert adäquate Gestaltungsoptionen – inklusiver Unterricht und eine kontinuierliche Individualisierung und Differenzierung können zu einer wirksamen Förderung aller Lernenden beitragen.

Inhalt:

Im Beitrag soll auf Umsetzungsmöglichkeiten von Integration und Inklusion in der berufsschulischen Ausbildung von Jugendlichen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen eingegangen werden. Nach einem Aufriss der Grundproblematik soll anhand von Fallbeispielen erläutert werden, wie Inklusion in der Lehrausbildung im Fachbereich Metall gelingen kann.

BEd MA Ingrid Hotarek

Pädagogische Hochschule Tirol

Pastorstraße 7

A 6010 Innsbruck

E-Mail: ingrid.hotarek@ph-tirol.ac.at

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Erfahren, verstehen, wissen – Medien im Implikationszusammenhang mit Zielen, Inhalten und Methoden

Medien erscheinen in der Unterrichtsplanung oft nur als ein technisches Problem der angemessenen Repräsentation von Inhalten. Es besteht aber auch ein enger Zusammenhang zwischen Lernzielen und zum Einsatz von Methoden.

Im Laufe des Lebens sind Menschen verschiedenen Entwicklungsaufgaben ausgesetzt. In einer oralen Tradition (bis zum Vorlesen) haben Kinder gelernt sich anhand von Geschichten in andere Welten zu versetzen. Dabei spielen Identifikationsfiguren und Handlungsabläufe mit zu meisternden Problemlagen eine Rolle. Eine Rollendistanzierung findet bei den Kindern zunächst noch kaum statt. Die Übereinstimmung mit den Identifikationsfiguren erzeugt wertbezogene (z. B. gut-böse unterscheidende) Handlungsmuster. Mit der unmittelbaren Identifikation werden Möglichkeiten „richtigen“ Handels geöffnet. Filme erzählen durch das gegebene Setting und die dargestellten Personen Geschichten meist festgelegter, lassen den Zuschauenden aber auch weniger Möglichkeiten den aufgezeigten Brüchen durch Phantasie zu entkommen.

Die Distanzierung von dem eigenen unmittelbaren Erleben ist die Voraussetzung für die Entwicklung von abstrakteren Kategoriensystemen. Während Kinder zunächst meist noch nicht in der Lage sind, eine richtige Antwort auf die Frage zu geben, was schwerer ist: 1 Kilo Eisen oder 1 Kilo Federn, weil sie noch keine Idee vom Maß haben und nur wissen, dass Federn leicht sind und Eisen schwer ist oder weil sie vielleicht auch die Größen „Masse“ und „Volumen“ verwechseln, eröffnet ihnen erst die – eine Abstraktionsleistung erfordernde – Unterscheidung von Merkmalen es Quantitäten einzuschätzen.

Die Darstellung von Inhalten in Medien wie Arbeitsblättern geht im Allgemeinen davon aus, dass es sich bei Zusammenhängen von Quantitäten (z. B. bei Berechnungen) um einfache Sachverhalte handelt. Übersehen wird, dass dazu Objekte und Qualitäten abgegrenzt und die den Objekten zugeordneten Merkmale in ihrer Qualität verstanden sein müssen. Dafür ist der Umgang mit den Objekten und der Aufbau von Erfahrung erforderlich. Die Objekte, seien es natürliche Gegenstände, wenig abstrakte Skizzen, Artefakte, Werkzeuge oder Prüf- bzw. Messinstrumente sind insofern jeweils Lernmedien. Erst mit dem Verständnis z.B. für Handlungen zuordenbare Merkmale können Sachverhalte eingeordnet und damit abstraktes „Wissen“ aufgebaut werden. Dieses kann dann durch Abstraktionsleistungen einfach dargestellt, erfasst und ausgebaut werden.

Der Vortrag beschäftigt sich mit der Frage, welche Funktion Medien in verschiedenen Zusammenhängen übernehmen (können) und welche Rolle sie in komplexen Lernsituationen eines lernfeldstrukturierten Unterrichts spielen.

Prof. Dr. Martin Hartmann

Technische Universität Dresden

Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken

Zi. 159

Weberplatz 5

01217 Dresden

E-Mail: martin.hartmann@tu-dresden.de

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Serena Supergreen und der abgebrochene Flügel – Serious Game Erneuerbare Energien für technische Ausbildungsberufe für Mädchen

Das Serious Game SERENA möchte Mädchen von 13 bis 15 motivieren, sie bei der Berufswahl unterstützen und sie für technische Berufe begeistern. Das Spiel fokussiert auf die erneuerbaren Energien, von denen unterstellt wird, dass sie für Mädchen besonders attraktiv sind, weil sie die Energieversorgung ökologischer und sozialer machen können. Zu Grunde gelegt wird also, dass Mädchen in der Regel ein besonderes gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein besitzen.

Im Rahmen der Erstellung des Spiels im Projekt SERENA liegt eine Herausforderung darin, relevante technisch motivierte, berufliche Spielinhalte zu identifizieren, sie in einen für Mädchen attraktiven Zusammenhang zu stellen, sie zu einem logischen, aber auch Spaß bereitenden Spielablauf (Gamedesign) zu kombinieren, die Kompetenzentwicklungen über den Prozess mitzudenken, den Spielerinnen die notwendigen Feedbacks zu geben und die Spielerinnen dabei nicht zu überfordern.

Im Vortrag werden der Prozess des Gamedesigns und die zugrundeliegenden Überlegungen dargestellt. Während der Fachtagung besteht die Möglichkeit, das nahezu vollendete Spiel in einzelnen Sequenzen an Tabletcomputern zu erproben.

Dipl.-Berufspäd. Nadine Matthes

Felix Kapp

Technische Universität Dresden

Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken

Weberplatz 5

01217 Dresden

E-Mail: nadine.matthes@tu-dresden.de

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Pia Spangenberger

Wissenschaftsladen Bonn e.V.

Reuterstr. 157

53113 Bonn

E-Mail: info@wilabonn.de

Linda Kruse

the Good Evil GmbH

Gilbachstraße 22

50672 Köln

E-Mail: hello@thegoodevil.com


Werteorientierung und Berufliche Bildung – wie geht das?

„Verantwortung für die Gesellschaft und kommende Generationen zu tragen, das ist für mich `Business to Society´“. Joe Kaeser, CEO der Siemens AG

Dieses Zitat spiegelt das Nachhaltigkeitsprogramm eines großen deutschen Unternehmens. Einen elementaren Baustein zur Messung des eigenen gesellschaftlichen Beitrags in Unternehmen bildet die Kompetenzentwicklung mittels zukunftsfähiger Förderung der Mitarbeitenden durch die berufliche Aus- und Weiterbildung.

Zur Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage zeigen sich zwei Ansatzpunkte:

Einerseits ist für viele Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie das Bekenntnis zu nachhaltigem Wirtschaften fest verankert in den strategischen Unternehmenszielen und die Entwicklung von Leitbildern, Verhaltenskodizes und Initiierung von Nachhaltigkeitsprojekten gehört zu einer weit verbreiteten Praxis (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES). Und im Handwerk gewinnen nachhaltigkeitsbezogene Geschäftsfelder bspw. zur Verbesserung der Energieeffizienz und der Nutzung von regenerativer Energien die zunehmend an Bedeutung. Andererseits stellen die auf nationaler und internationaler Ebene geforderten Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung in der beruflichen Erstausbildung Ausbildungsakteure vor die Aufgabe, gesellschaftliche Verantwortungsübernahme in die Prozesse der Ausbildung zu integrieren (vgl. BERUFSBILDUNGSGESETZ 2005). Mit diesem Beitrag wird zur Diskussion gestellt, wie durch eine werteorientierte Ausbildungskultur ein Beitrag zur Sicherung und Entwicklung nachhaltigkeitsorientierter Bildungsarbeit geleistet werden kann.

Obwohl dem Wertebegriff in den verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen sowie im alltäglichen Umgang große Aufmerksamkeit geschenkt wird, gibt es keine eindeutige Definition darüber, was Werte sind (vgl. GOLLAN 2012). Ausgedrückt werden zum einen bestimmte Einstellungen eines Menschen (subjektive Werthaltungen), indem Werte als persönliche Leitprinzipien des eigenen Lebens gesehen werden. Zum anderen besteht die Anschauung, dass es sich um Merkmale von Gruppen, Gesellschaften oder Kulturen mit normativem Charakter handelt, die deren soziale Orientierung steuern (soziale Werte). GILLE u.a. (2006) bemerken unter Bezugnahme auf Forschungsarbeiten der Entwicklungspsychologie, dass die Aneignung und Internalisierung von Werten als eine zentrale Entwicklungsaufgabe des Jugend- und jungen Erwachsenenalters angesehen werden kann und somit eine wichtige Bedeutung für die Lebensgestaltung und -entwürfe junger Menschen erhält. Für berufliche Sozialisationsprozesse ist es daher wichtig zu berücksichtigen, welche Varianz die Wertekonzepte der jungen Erwachsenen aufweisen.

In diesem Zusammenhang rückt die Betrachtung von Bildungsprozessen stärker in den Fokus der nachhaltigkeitsbezogenen Forschung und Berufsbildungspraxis. Hierzu sind Gelingensbedingungen für Bildungsprozesse zu identifiziert, die eine unmittelbare Verbindung mit den persönlichen Einstellungen (=Werthaltungen) der jungen Menschen aufweisen. Verstanden wird hier der Bildungsvorgang als ein lebenslang andauernder Prozess eines Menschen auf seinem Weg zur Erkundung und Realisierung eigener Welt- und Selbstverhältnisse (vgl. KOCH u.a. 1997). Bildung ist in dieser Vorstellung ein höherwertiger Lernprozess, in dem nicht nur neue Inhalte angeeignet werden, sondern umfasst auch die Art und Weise, wie Menschen ihr Handeln in der Auseinandersetzung mit der Welt, mit anderen Menschen und mit sich selbst ausrichten und über ihre Lebens- und Entwicklungsspanne reflexiv verändern (KOLLER 2010).

Auf Grundlage einer wissenschaftlichen Untersuchung unter aktiver Beteiligung von Auszubildenden wird dargelegt, wie durch eine stetige Sensibilisierung für ethische Fragestellungen im Ausbildungsprozess Lern-, Reflexions- und Bildungsprozesse bei den Lernenden angeregt werden können, ohne die - besonders für Unternehmen des KMU-Segmentes - notwendige Gestaltungsoffenheit und Flexibilität bei der Umsetzung des Ausbildungsauftrages zu belasten. Wichtige Elemente dabei sind:

     Anregung zur Reflexion (Mündigkeit),

     Schaffung von Handlungsalternativen und Verantwortungsübernahme,

     Möglichkeit zur offenen Kommunikation und Mitbestimmung,

     Anerkennung,

     Förderung des Zugehörigkeitsgefühls.

Keine normativen Moral- oder Gerechtigkeitsvorgaben sind zu erarbeiten, sondern eine Kultur der Leitidee einer Wertschätzung von Person und Leistung: Eine Perpetuum-Mobile-Strategie der Qualitätsentwicklung!

Literatur

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Unternehmenswerte – CRS Made in Germany, online verfügbar unter: https://www.csr-in-deutschland.de/, abgerufen 23.12.2016.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): Berufsbildungsgesetz, 2005, online verfügbar unter: https://www.bmbf.de/de/das-berufsbildungsgesetz-bbig-2617.html, abgerufen 23.12.2016.

Gille, M.; Sardei-Biermann, S.; Gaiser, W.; de Rijke, J.: Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006. 

Gollan, T.: Sozialer Einfluss auf Werthaltungen und seine Konsequenzen für kulturelle Diffusion, 2012, online verfügbar unter: http://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2012/5569/pdf/Dissertation.pdf, abgerufen 23.12.2016.

Koch, L.; Marotzki, W.; Schäfer, A. (Hrsg.): Die Zukunft des Bildungsgedankens, Deutscher Studienverlag, Weinheim 1997.

Koller, H.-C.: Grundzüge einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. In: A. Liesner; I. Lohmann (Hrsg.): Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Erziehung, W. Kohlhammer, Stuttgart 2010.

Siemens AG, Business to society Report für Deutschland, online verfügbar unter: http://www.siemens.com/entry/de/de/ingenuity-for-life/b2s/, abgerufen 23.12.2016.

Dr. Andrea.Poetzsch-Heffter

Universität Hamburg

Fakultät für Erziehungswissenschaft

Berufliche Bildung und Lebenslanges Lernen (EW 3)

Sedanstraße 19

20146 Hamburg

E-Mail: Andrea.Poetzsch-Heffter@uni-hamburg.de

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Prof. Dr. Thomas Vollmer

Universität Hamburg

Fakultät für Erziehungswissenschaft

Berufliche Bildung und Lebenslanges Lernen (EW 3)

Sedanstraße 19

20146 Hamburg

E-Mail: thomas.vollmer@uni-hamburg.de


Nachhaltige Mediennutzung im Berufsschulunterricht – Wie gelingt ein zielführendes Lernen mit Schweißsimulatoren?

1.  Ausgangssituation

Die medientechnologische Entwicklung bietet aktuell in der metallverarbeitenden Industrie zunehmend die Möglichkeit, Lehr-Lernprozesse durch Schweißsimulatoren zu unterstützen. Dabei werden schon für die Berufsorientierung innovative Wege beschritten, um Jugendliche für Berufe in der Metallindustrie zu begeistern, aber auch Konzepte gestaltet, um in Aus- und Weiterbildung Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen hinsichtlich verschiedenster Schweißverfahren und -aufgaben nachhaltig zu vermitteln. Insgesamt zeigt sich in diesen Aktivitäten das Ziel, sowohl dem demographischen Wandel und einem damit einhergehendem Fachkräftemangel entgegenzuwirken als auch die Digitalisierung der Arbeitswelt anzunehmen. Aktuell finden Schweißsimulatoren vorrangig Eingang in die Aus- und Weiterbildung für Fachkräfte in Bezug auf manuelle Schweißverfahren. Das betrifft die betrieblichen Lernorte, aber auch berufsbildende Schulen sowie (überbetriebliche) Aus- und Weiterbildungsträger.

2.  Fragestellung

Die skizzierten Entwicklungen stellen neue Anforderungen an die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen. Besonders die Lehrkräfte sind daher gefordert, didaktische und medienpädagogische Kompetenzen einzubringen und den Simulator zielgruppenadäquat einzusetzen. Aus diesem Grund wird im Forschungsvorhaben „Medieneinsatz in der Schweißausbildung“ (MESA) untersucht, welche Auswirkungen der Einsatz von Schweißsimulatoren als digitales Lernmedium hat. Auf der einen Seite ist eine gewisse Legitimation in Form von Lernfortschritten und Kompetenzentwicklungen zu evaluieren. Auf der anderen Seite sind „traditionelle“ Lehr-Lernkonzepte einem gewissen Weiterentwicklungsdruck ausgesetzt und die Wirkung neuer, ganzheitlicher Ansätze mit unterschiedlichen Methoden und Lernorten in ihrer Kombination zu erproben.

3.  Methoden und Ergebnisse

Im Forschungsvorhaben wurde anhand berufswissenschaftlicher Forschungsmethoden analysiert, welche konkreten Anforderungen an Lehrkräfte gestellt werden. Dabei spielt die fachliche Expertise der Lehrenden nicht immer die wichtigste Rolle: Das Fachwissen ist bei den Lehrkräften vorhanden, aber der Simulator bringt neue Einsatzmöglichkeiten für die Gestaltung ganzheitlicher Lernsituationen mit sich. Dazu wurde der Simulator in der Berufsorientierung, in der Prüfungsvorbereitung und in Weiterbildungskursen eingesetzt. Es zeigte sich dabei, inwieweit Anfänger/innen und Fortgeschrittene sich in den Anforderungen und Anwendungsmöglichkeiten unterscheiden, inwieweit Personen mit Migrationshintergrund den Simulator nutzen und welche Herausforderungen sich für die Lehrer/innen an berufsbildenden Schulen identifizieren lassen.

Dipl.-Päd. Sven Schulte

Technische Universität Dortmund

Fakultät 12 Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie

Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft und Berufspädagogik

Emil-Figge-Straße 50, Raum 0.506

44227 Dortmund

E-Mail: sven.schulte@tu-dortmund.de

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Berufliche Aus- und Weiterbildung in der Elektromobilität

Das Infrastrukturthema „Elektromobilität“ betrifft und bewegt alle Berufsbildungspraktiker und ist daher inhaltlich besonders schwer abzugrenzen. Zum einen entwickelt es sich technisch fortwährend rasant weiter, zum anderen birgt es nicht abschätzbare, möglicherweise schwerwiegende gesellschaftliche, politische und rechtliche Veränderungen und dies nicht nur national, sondern auch global. Lieb gewonnene Rituale werden auf den Prüfstand gestellt und der Optimierung der Prozesse geopfert. Des Deutschen liebstes Kind, das Auto, wird möglicherweise irgendwann zum Allgemeingut, und die Freude am Fahren durch ein autonomes System ersetzt. Durch die latente Omnipräsenz lässt es sich anderseits sehr gut im Unterricht Beruflicher Schulen aufgreifen, wie am Beispiel des Berufsbildungszentrums Mölln (Regionales Berufsbildungszentrum des Kreises Herzogtum Lauenburg) gezeigt wird.

In der Ausbildung zum Beruf Elektroniker/-in für Energie- und Gebäudetechnik findet sich das Thema Elektromobilität im Unterricht zum Beispiel im Anschluss einer Wallbox oder einer Ladesäule wieder. Dies lässt sich dann im Lernfeld 11 „Regenerative Energien“ gut inhaltlich integrieren. Daher wird neben der Planung einer PV-Anlage auch der Anschluss und die Funktionsweise einer Ladesäule Gegenstand des Unterrichts. Im Unterricht des Faches „Wirtschaft u. Politik“ (WiPo) wird die Elektromobilität sowohl aus der Perspektive des Verbrauchers als auch des Fachpersonals in Themenschwerpunkten wie „Umweltschutz“ oder „Grundlagen des wirtschaftlichen Handelns“ unterrichtlich betrachtet und bewertet. Die Schüler lernen so den bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und ihrer Umwelt. Für die Funktionsweise des Staates als Garant einer sicheren Lebenswelt sowie die Einflussnahme durch Lobbyisten eignet sich dieses Thema gesellschaftspolitisch ebenfalls sehr gut, da es sehr emotional ist und alle betrifft. In der beruflichen Ausbildung finden sich daher ausreichend Alltagsbeispiele, um die Elektromobilität in vielen Lernfeldern und dem WiPo-Unterricht zu thematisieren. Da Elektroniker/-innen EG natürlich auch für alle anderen elektrotechnischen Aufgaben geschult werden müssen, bleibt die Elektromobilität daher ein Thema neben anderen.

In der beruflichen Weiterbildung stellt sich die Situation in der Fachschule „Elektromobilität“ etwas anders da. Hier können sich Handwerksgesellen und Facharbeiter mit Berufserfahrung weiterbilden lassen, und seit nunmehr vier Jahren dürfen diese Techniker den Zusatz „für Elektromobilität“ in ihrem Titel tragen. Die beiden regionalen Berufsbildungszentren in Kiel und Mölln haben im Februar 2013 den Bildungsgang mit zwei Klassen eröffnet und den dafür notwendigen Lehrplan geschaffen. Inhaltlich unterscheiden sich Kiel mit dem Themenschwerpunkt „Fahrzeugtechnik“ und Mölln mit dem Schwerpunkt „Energiemanagement“. Die Lehrkräfte beider Schulen greifen aber trotzdem auf den gleichen Lehrplan zurück, der das Thema Elektromobilität in insgesamt 14 Lernfeldern vertieft und ursprünglich in vier Lernbereiche gegliedert war. Durch die unterschiedliche Ausrichtung der Abschlussprüfung auf die Lernfelder werden die Schwerpunkte formal bestätigt. Da die Elektromobilität anders als bei der Ausbildung grundlegendes Thema ist, lässt sich die Zahl der Projekte reduzieren und optimieren. Weiterhin lassen sich einzelne Projekte in ein „Großes Ganzes“ integrieren und durch die globalen Innovationen ständig weiterführen.

In Mölln wird ein sog. Transplantationsfahrzeug vom konventionellen zum Elektroauto umgebaut. Dieses wird in dem eigens dafür gebauten PV-Carport wahlweise mit Gleich- bzw. Wechselspannung geladen. Der Klassenraum stellt die simulierte Anlage eines Einfamilienhauses dar, so dass innerhalb des Energiemanagements der „Verbrauch“ der von der PV-Anlage bereitgestellten Energie innerhalb und außerhalb des Gebäudes darstellbar und optimierbar ist. Neben der Automatisierung von elektrischen Großverbrauchern über die Gebäudeautomation LCN sowie der Visualisierung der Energieströme wird die elektrische Energie derzeit in einem stationären Akku zwischengespeichert. Geplant sind der autarke Betrieb über einen geeigneten Großspeicher sowie die Einbindung des Fahrzeug-Akkus in das Energiemanagement. Ein installiertes Kleinstwindrad musste zwischenzeitlich abgebaut werden, da das BBZ Mölln aktuell ein neues Werkstattgebäude erhält. Nach Fertigstellung wird es aber wieder in Betrieb genommen und in die Energiebilanz mit eingebunden.

Ein dienstlich nutzbarer PKW mit Elektroantrieb rundet das Gesamtkonzept ab. Das Fahrzeug dient neben der Hochvoltschulung und der Erhebung von Daten zur Alltagstauglichkeit der Elektromobilität in der Fachschule auch als Lerngegenstand der Berufsschule für angehende Kfz-Mechatroniker/-innen, die ebenfalls in Mölln unterrichtet werden.

Oberstudienrat Dirk Lehmann

Berufsbildungszentrum Mölln

Kerschensteinerstr. 2

23879 Mölln

E-Mail: Dirk.Lehmann@bbzmoelln.de

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Lernen und Lehren im Zeitalter der Digitalisierung

Die Industrie und Wirtschaft steht mit der aktuellen technologischen Entwicklung vor einem in seinem Umfang und seiner Komplexität noch nicht abzuschätzenden Umbruch. Die durch die Digitalisierung prognostizierten Produktions- und Prozessinnovationen werden voraussichtlich mit umfangreichen Änderungen von Tätigkeitsprofilen und Werkzeugen einhergehen. Experten gehen davon aus, dass sich die Berufsbilder sowie die zukünftig benötigten, beruflichen Kompetenzen stark verändern werden und prognostizieren steigende Qualifikationsanforderungen an die Fachkräfte. Diese Qualifikationsanforderungen lassen sich nicht nur mit kurzfristigen Weiterbildungsmaßnahmen decken, sondern die Anforderungen zwingen die Protagonisten der Beruflichen Bildung schon heute über neue Wege nachzudenken. Damit stehen die Aus- und Weiterbildung und ihr Personal vor neuen Herausforderungen und rücken stärker in den bildungs- und gesellschaftspolitischen Fokus. Es wird die Aufgabe der Bildungsinstitutionen und Lehrkräfte (Lehrer, Aus- und Weiterbilder) sein, mit adäquaten Lehrkonzepten eine qualitativ hochwertige berufliche Bildung zu gewähr-leisten. In letzter Konsequenz ist somit auch die Professionalisierung der Lehrkräfte parallel zur technologischen Entwicklung und zur aktuellen berufswissenschaftlichen und didaktischen Forschung zu realisieren.

Zu den aktuellen, forschungsleitenden Fragen, die sich (Fach-)Didaktiker, Berufswissenschaftler sowie Protagonisten der Beruflichen Bildung unter Berücksichtigung der didaktischen Tripel-Dependenz[1] in diesem Zusammenhang stellen, gehören:

     Welche Einflüsse und Folgen hat die Digitalisierung auf und für das Lernen und Lehren in der Beruflichen Bildung?

     Welche beruflichen Kompetenzen werden zukünftig von den Aus- und Weiterzubildenden benötigt?

     Welche Kompetenzen benötigt das Lehrpersonal, um dieser Entwicklung Rechnung tragen zu können?

     Welche Modelle (z. B. Handlungsmodelle von Lehrkräften) können zur Beschreibung von Lehr-Lernsystemen herangezogen werden?

     Welche Lehrkonzepte tragen zur Entwicklung bzw. Förderung der beruflichen Kompetenzen bei? Und Warum?

     Welche (ggf. empirisch fundierten) didaktischen Theorien können aus der Forschung ableitet werden?

Die Klärung dieser Fragen ist essenziell für die Innovation in der Beruflichen Bildung. Nicht nur in dem gewerblich-technischen Bereich kämpft die Lehr-Lernforschung mit der Komplexität des Forschungsgegenstandes. Forschungsdesigns und Ergebnisse aus der allgemeinbilden-den Lehr-Lernforschung sind aufgrund der Spezifika der Beruflichen Bildung kaum auf diese übertragbar, und haben „sich […] als nicht ausreichend [erwiesen], um in Schule, Hochschule und Weiterbildung nachhaltige Veränderungen beim Lernen und Lehren anzustoßen“ (Reinmann 2005). Das die bisherige Forschung wenig zur Verbesserung der Lehre beigetragen hat

ist ein fundamentales Problem; es fehlen Theorien, Konzepte und Instrumente, auf die das Lehrpersonal bei der Konzeptionierung von Lehr-Lerneinheiten zurückgreifen kann (vgl. ebenda). Die bildungswissenschaftliche Forschung könnte die Digitalisierung und die zu er-wartenden Umbrüche durch Industrie 4.0 als Chance sehen andere Forschungswege zu er-proben. Die massive Nachfrage nach Weiterbildungskonzepten eröffnet die Möglichkeit mit einem induktiven, design-based research Ansatz (dbr) eine weitere Forschungslinie zu etablieren (vgl. Cobb u. a., DBRC 2003).

Im Kern erinnert der dbr-Ansatz an eine naturwissenschaftliche Herangehensweise. Systematische Gestaltung bzw. Modellierung sind die Grundlagen eines Experimentes, dessen Durch-führung Evaluation und Reflexion sowie ggf. einer Revision zu neuen Erkenntnisse führen soll. Die entwickelten Modelle sollen u. a. ermöglichen das System Lehren und Lernen besser zu beschreiben, um die Komplexität desselben besser zu durchdringen und somit kausale Zusammenhänge besser zu verstehen (vgl. imp 2016)

Die Schritte im Einzelnen:

     Analyse des Forschungsfeldes; Rahmenbedingungen und Variablen bestimmen, Forschungs- bzw. Erkenntnisdefizite identifizieren

     Begriffe definieren, Modelle kreieren, Theorien formulieren

     Lösungsstrategien und Lehrkonzepte entwickeln (Design)

     Bildungsmaßnahmen durchführen und diese evaluieren

     Reflexion der Evaluationsergebnisse

     Ggf. Revision der Konzeptionierung (Redesign)

     Modelle auf Gültigkeit prüfen, Fachdidaktik übergreifende Theorien ableiten

Mit dem Ansatz werden sich nicht alle forschungsleitenden Fragen umfassend beantworten lassen. Jedoch könnte ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Lehre in der Beruflichen Bildung gemacht werden, wenn es mit diesem Forschungsansatz gelingt zu verstehen und zu beschreiben wie Lehrende ihr „Handwerk“ erlernen, welche Lehrformen hilfreich bei der Einwicklung von Kompetenzen sind und wie man Erfahrungen und die daraus resultieren-den epistemologischen Überzeugungen gezielter fördern kann.

Mit den Ergebnissen dieser Forschung könnte die Professionalisierung von Lehrpersonal auf ein wissenschaftlich solides Fundament gestellt und somit auch die Erkenntnisgewinnung der fachdidaktischen Forschung vorangetrieben werden.

Literatur

Cobb, P. u. a. (2003): Design experiments in educational research. In: Educational Re-searcher, 32 (1).

DBRC (Design-Based Research Collective (2003): Design-based research. An emerging par-adigm for educational inquiry. In: Educational Researcher, 32 (1).

imb (2016): Design-Based Research. Online: http://qsf.e-learning.imb-uni-augsburg.de/node /540. Stand 15.12.2016.

Reinmann, G. (2005): Innovation ohne Forschung? Ein Plädoyer für den Design-Based Rese-arch-Ansatz in der Lehr-Lernforschung Unterrichtswissenschaft 33 (2005) 1, S. 52-69.

Jun. Prof. Dr. Tamara Riehle

Universität Siegen

Lehrstuhl für Technikdidaktik am Berufskolleg −TVD

Breite Str. 11

57076 Siegen

E-Mail: riehle.tvd@uni-siegen.de

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[1] Bezeichnet das Beziehungsgeflecht zwischen Lernenden und Lehrenden im speziellen Fall der Lehrkräfteprofessionalisierung (umfasst die Bereiche Hochschule bzw. Berufliche Weiterbildung, Lehrkräfte, Teilnehmer der Aus- und Weiterbildung).