32. BAG-Fachtagung im Rahmen der Hochschultage Berufliche Bildung 2023
in Bamberg

Fachkräftemangel in gewerblich-technischen Berufen und die Herausforderung der Mitgestaltung einer digitalisierten und nachhaltigen Arbeitswelt


Vorwort

Die Bundesarbeitsgemeinschaften ElektroMetall greifen mit ihrem Tagungsthema „Fachkräftemangel in gewerblich-technischen Berufen und die Herausforderung der Mitgestaltung einer digitalisierten und nachhaltigen Arbeitswelt“ das Rahmenthema „Fachkräftesicherung – Zukunftsweisende Qualifizierung, gesellschaftliche Teilhabe und Integration durch berufliche Bildung“ auf, weil die in der letzten Zeit hervorgetretenen vielschichtigen Probleme die Aus- und Weiterbildung der elektro- und informationstechnischen sowie die der metall- und fahrzeugtechnischen Berufe betreffen.

Beides, der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel, haben aktuell die Brisanz der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern in aller Deutlichkeit vor Augen geführt und verlangen einen schnellstmöglichen Ausbau erneuerbarer Energien. Darüber hinaus wird sich die Arbeitswelt durch die Digitalisierung absehbar dynamisch verändern. Die Corona-Pandemie hat die Begrenztheit der digitalen Infrastruktur zutage treten lassen, aber auch zu neuen hybriden Lehr-Lern-Formen geführt, die durch engagiertes Handeln der Lehrkräfte und Ausbilder*innen in der beruflichen Bildung bereits realisiert wurden.

Die letzten Jahre und die letzten Monate haben mit zunehmender Dringlichkeit gezeigt, dass die Herausforderungen vielfältiger geworden sind und nicht ohne gut aus- und weitergebildete gewerblich-technische Fachkräfte zu bewältigen sein werden. Die rasche Substitution fossiler Energieträger wie auch der digitale Wandel der gesamten Arbeitswelt werden eine große Zukunftsaufgabe für die elektro-, informations-, metall- und fahrzeugtechnischen Beschäftigten in Handwerk und Industrie sein. Die Digitalisierung der Berufswelt und die veränderten Arbeitstätigkeiten führen in steigendem Maße zu einer Anforderungsintegration verschiedener Fachrichtungen und zu Herausforderungen für die Berufsbildung.

Der zunehmende Fachkräftemangel in unseren Branchen wird die vorgenannten Probleme zusätzlich verschärfen, wenn nicht auch hierfür Lösungen gefunden werden. Die Ursachen sind vielfältig: Einerseits ziehen junge Menschen vermehrt ein Studium einer Berufsausbildung vor. Darin werden sie von ihren Eltern unterstützt, die aber häufig mit den gewerblich-technischen Berufs- und Tätigkeitsprofilen und den vorhandenen Aufstiegsmöglichkeiten nicht ausreichend vertraut sind. Deshalb bekommen Jugendliche oftmals keine gute Unterstützung bei der Berufswahl. Ebenso fehlen den Lehrkräften in den allgemeinbildenden Schulen aufgrund ihrer Arbeitsweltferne in der Regel die erforderlichen Kenntnisse, um den Schüler*innen eine fundierte Berufsorientierung geben zu können. Zudem haben viele Berufe ein Imageproblem und müssten attraktiver werden – auch, aber nicht nur in Bezug auf die Verdienstmöglichkeiten.

Auf der anderen Seite schaffen es viele Jugendliche nicht, eine Ausbildung in einem anspruchsvollen technischen Beruf aufzunehmen, sondern verbringen lange Zeit in den Fördermaßnahmen des Übergangssystems und finden anschließend bestenfalls prekäre Beschäftigungsmöglichkeiten. Hier könnten personen-, institutions- und situationsangepasste Fördermaßnahmen Abhilfe schaffen. Desgleichen bietet die erwartbar steigende Zuwanderung Möglichkeiten der Fachkräftegewinnung, wenn die Aus- und Weiterbildung diese Menschen unterstützt, in den gewerblich-technischen Berufen eine Perspektive zu bieten. Die Weiterentwicklung hybrider Lehr-Lern-Arrangements können hierfür eine Chance bieten.

Der Fachkräftemangel hat nicht nur für die Ausbildungsbetriebe in Handwerk und Industrie gravierende Konsequenzen. Angesichts der zurückgehenden Auszubildendenzahlen wird es in den Berufsschulen immer schwieriger Fachklassen zu bilden. Die mancherorts wachsende Nachfrage bei den technischen Oberstufen oder beruflichen Gymnasien kompensiert zumeist nicht den Rückgang der Schülerzahlen in der Berufsschule, was dazu führt, dass an den Schulen Stellen gestrichen und weniger Referendare ausgebildet werden – ein Teufelskreis, der die eingangs skizzierte Problemlage verschärfen wird, statt zur Lösung beizutragen.

Mit den Fachtagungen Elektrotechnik/Informationstechnik und Metalltechnik/Fahrzeugtechnik verbinden wir die Hoffnung, wichtige Impulse für die Mitgestaltung einer digitalisierten, nachhaltigen Arbeitswelt zu geben, in der Facharbeit wieder eine hohe Attraktivität genießt. Mit den Eröffnungsvorträgen ist beabsichtigt, die Thematik einführend allgemein zu beleuchten. Im Anschluss daran sollen die o.g. Gesichtspunkte in parallelen Arbeitskreisen mit Blick auf die Spezifika der elektro-, informations-, metall- und fahrzeugtechnischen Berufsaus- und -weiterbildung konkretisiert und vertieft sowie unterrichtliche Handlungsperspektiven diskutiert/erarbeitet werden.

Prof. Dr. Thomas Vollmer
Tagungspräsident
vollmer@bag-elektrometall.de

Vorträge

Digitalisierung der Berufs- und Arbeitswelt als Beitrag zur Nachhaltigkeit

Präsentation


Der viel diskutierte Fachkräftemangel hat die deutsche Wirtschaft längst erreicht. Zu den Berufsbereichen mit den größten prognostizierten Lücken zählen neben Pflege, Bildung und Handwerk insbesondere auch Metall- und Elektroberufe sowie Berufe im IT-Bereich (vgl. Schirner, Malin, Hickmann, Werner, 2021). Im Fachkräftebereich fehlten 2021 über 587.000 qualifizierte Personen, so dass knapp 23 % der Stellen nicht besetzt werden konnten. Aber auch für akademisch ausgebildete (knapp 170.000 offene) Expertenstellen finden sich in 40 % der Fälle keine qualifizierten Bewerberinnen und Bewerber.

Für Siemens gilt es deshalb, neben dem bewährten Hebel Ausbildung auf Weiterbildung zu setzen: Ziel ist dabei, Fachkräfte in ihren Rollen zu stärken und auf Innovationen in der modernen Arbeitswelt vorzubereiten.

In der Ausbildung bei Siemens wurde mittels einer Digitalisierungsroadmap (vgl. Leubner, Liebert, Siebel, Kinschel, Kunz, 2017; Hollatz & Ofstad, 2021) in den letzten Jahren über zwei Drittel der bestehenden Ausbildungsinhalte erneuert oder angepasst. Die Trainingsinfrastruktur wurde erweitert und das Ausbildungspersonal auf die neuen Themen und Konzepte geschult. Im weiteren Verlauf wurde auch die Ausbildungsphilosophie reformiert und der didaktische Ansatz weiterentwickelt. Anforderungen an die künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind anders als früher, aber auch die künftige Generationen Z und Alpha sind heterogener mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Nicht zuletzt wünschen sich Ausbilderinnen und Ausbilder mehr Flexibilität für die neuen Themen. Zudem ist essenziell, dass sie zum Coach und Lernbegleiterin bzw. Lernbegleiter werden. Und es wird zunehmend wichtiger, die Individualkompetenzen der Lernenden zu fördern und zu erfassen.

Um den Weiterbildungsbedarf der Mitarbeitenden zu ermitteln, setzt Siemens auf eine besondere Methodik namens #NextWork. Zukunftskompetenzen werden im Rahmen eines methodisch sauberen Projektansatzes namens #NextWork für „Werkerinnen“ und „Werker“ eruiert und mittels Weiterbildungsmaßnahmen trainiert. #NextWork verschafft Orientierung und Transparenz über geschäftsrelevante Rollen und Kompetenzen. Kontinuierlich und frühzeitig werden Trends im Arbeitsmarkt in den für das Unternehmen relevanten Branchen und den eigenen Standorten analysiert. Auf dieser Grundlage wird dann geprüft, welche Jobrollen sich inhaltlich verändern (müssen), mit welchen Weiterbildungsmaßnahmen die Mitarbeitenden beschäftigungsfähig gehalten werden können oder welche Kompetenzen extern am Markt rekrutiert werden müssen. Aus dem Bedarf an Fort- und Weiterqualifizierung werden schließlich konkrete, individuelle Entwicklungspfade und Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeitenden abgeleitet. Besonderer Schwerpunkt ist dabei seit einigen Jahren die technische Weiterbildung rund um Digitalthemen, um Fachkräfte in den Werken und im Servicebereich – die sogenannten „blue-collar“-Bereiche – bei der digitalen Transformation mitzunehmen.

Siemens hat dazu eine eigene Digitalisierungs-Akademie gegründet, die SiTecSkills Academy. Dort werden u.a. angelernte und ungelernte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt zu Facharbeitenden mit Digitalisierungs-Skills weiterqualifiziert. Dieses Weiterbildungsangebot der SiTecSkills Academy gilt nicht nur für Mitarbeitende des Unternehmens, sondern kann auch von externen Lernenden genutzt werden (siemens.com/sitecskills).

Um nur einige Beispiele aus den Produktionsstandorten zu illustrieren: Erst kürzlich hat sich eine Küchenkraft aus der Kantine zur Mechatronikerin weitergebildet, ein anderer Mitarbeiter aus dem Lager konnte sich zum Roboter-Trainer weiterqualifizieren. Es sind vor allem die digitalen Inhalte und Kompetenzen, die für künftige Rollen der Mitarbeitenden notwendig sind. Gefragt ist inzwischen die Weiterbildung von Kaufleuten zu Data Analysten. Darüber hinaus bieten wir im neuen Werk für Schnellladesäulen in Leipzig mit unserer Train-to-Hire Initiative geeigneten Kandidaten die Möglichkeit, am Anfang ihrer Tätigkeit bei Siemens in einem Programm über insgesamt 13 Wochen die Skills zu trainieren, die sie dann im Werk benötigen, um als Fachkraft zu arbeiten.


QUELLEN

Leubner, T., Liebert, K., Siebel, J., Kinschel, M., & Kunz, C. (2017). Digitale Arbeitswelt 4.0: Umsetzung in der Aus-und Weiterbildung. Praxishandbuch Industrie 4.0: Branchen-Unternehmen-M&A, 10200, 237-246.

Hollatz, J. and Ofstad, B. 2021. Digitalisierung in der Berufsbildung: Zur Operationalisierung von Kenntnissen und Fähigkeiten. In: Philip Ramin (Ed.), Handbuch Digitale Kompetenzentwicklung, 353–367. München: Hanser Verlag.

Schirner, Sebastian; Malin, Lydia; Hickmann, Helen; Werner, Dirk (2021) : Fachkräfteengpässe in Unternehmen - Fachkräftemangel und Nachwuchsqualifizierung im Handwerk, KOFA-Studie, No. 1/2021, Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA), Köln.


Dr. Barbara
Ofstad
Siemens Professional Education
Lyoner Str. 27
DE 60528 Frankfurt am Main
barbara.ofstad@siemens.com

Fachkräftegewinnung für eine nachhaltige Energienutzung

Präsentation


Wir befinden uns mittendrin in der Transformation: Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demografie. Daraus leiten sich folgende Maximen ab: (1) Klimaneutral wirtschaften, produzieren, handeln. (2) Kompetent handeln in einer zunehmend digitalisierten und vernetzten (Arbeits)welt. (3) Effizient und kompetenzorientiert handeln, um die demografischen Effekte (geburtenschwache Jahrgänge + altersbedingter Ersatzbedarf) auszugleichen. Aus diesen Maximen lassen sich Strategien und Maßnahmen zur Fachkräftesicherung ableiten:

  • Ansätze zur Sicherung der Berufsausbildung (z. B. Möglichkeiten, Berufsbildung attraktiver zu machen: Adressieren von Gymnasiast*innen, schwächeren Schulabgänger*innen und Studienabbrecher*innen; Matching verbessern am Übergang Schule-Beruf: Flächendeckender Ausbau gendersensibler Berufsberatung, Berufsorientierung, Jugendberufsagenturen; Ausbildungsgarantie: Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung; Einstiegsqualifizierungen (EQ) und AsA ausbauen; außerbetriebliche Ausbildungsangebote in strukturschwachen Regionen)
  • Ansätze zur Förderung beruflicher Weiterbildung (z. B. Einsatz kumulativer Teilqualifikationen, niederschwellige Qualifizierungsberatung um psycho-soziale Aspekte wie Motivation, Selbstvertrauen, Ängste, negative Lernerfahrungen stärker zu berücksichtigen, Recht auf Freistellung für WB, finanzielle Anreize wie Prämien, Zuschüsse zum Lebensunterhalt, Lohnersatzleistungen)
  • Steigerung der Erwerbsquote Älterer
  • Steigerung der Erwerbsquote von Frauen
  • Fachkräfteeinwanderung

Spezifische Herausforderung zur Erreichung der Ziele der Energiewende: Bis zum Jahr 2030 sollen rund 6 Millionen Wärmepumpen in private Häuser gebracht werden. Bei den Millionen Bestandsobjekten sind zudem auch Lösungen wie Tiefengeothermie, Solarthermie, Bioenergie und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen gefragt. Die o.g. Maßnahmen zu Fachkräftesicherung reichen jedoch nicht aus, die Ziele der Energiewende zu erreichen. Es gilt, andere Möglichkeiten in den Blick zu nehmen, um die erforderliche Hardware in den Privathäuser zu installieren und die Häuser zudem noch in vielen Fällen energetisch zu sanieren. Gefragt sind Lösungen, bei denen auch die Komponentenhersteller (Hersteller von Wärmepumpen, PV-Anlagen etc.) mit eingebunden werden. Die Frage ist zu diskutieren, welche Aufgaben künftig die*der fachlich kompetente Handwerker*in übernimmt und welche Aufgaben von Heimwerker*innen selbst übernommen werden können. Die Energiewende ist vermutlich nur durch eine Neujustierung dieser Arbeitsteilung umsetzbar.


Heiko Weber
Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)
Rollnerstraße 14
90408 Nürnberg
heiko.weber@f-bb.de

Podiumsdikussion



Moderation:
Mischa Salzmann
Radio Bamberg


Teilnehmer*innen:
▪ Heiko Weber (Forschungsinstitut Betriebliche Bildung f-bb)
▪ Georg Spöttl (Universität Bremen)
▪ Simon Brückner (Auszubildender, Bamberg)
▪ Barbara  Ofstad  (Siemens AG)
▪ Leo Voran (Obermeister der SHK-Innung Bamberg)
▪ Peter Johannes Hoffmann (Berufliche Schulen Lauingen a. d. Donau)

Arbeitskreise

Arbeitskreis 1: Handwerkliche Berufsbildung für eine digitalisierte und nachhaltige Arbeitswelt auf Baustellen und in Werkstätten

Präsentation - Masters of Malfunction


Die zunehmende Digitalisierung beruflicher Facharbeit und die Pflicht zukünftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen haben auch große Auswirkungen auf die berufliche Bildung. Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR)  -Technologien bieten die Möglichkeit innovative digital gestützte Lern- und Arbeitsumgebungen zu gestalten und damit neue Lernformen zu etablieren. In diesem Workshop werden an verschiedenen Beispielen u. a. aus dem Bereich gewerkeübergreifendes Bauen und Arbeiten und Fehlerdiagnosekompetenz von mechanischen, elektrischen und hydraulischen Fehlern verschiedene Anwendungsmöglichkeiten von VR-/ und AR-Technologien vorgestellt und können ausprobiert werden.


Moderation und Einführung:
Prof. Dr. Wilko Reichwein
Technische Universität Berlin

w.reichwein@tu-berlin.de

Dr. Sören Schuett-Sayed
Technische Universität Hamburg-Harburg

soeren.schuett@tuhh.de

Prof. Dr. Harald Strating
Hochschule Osnabrücke
h.strating@hs-osnabrueck.de

Arbeitskreis 2: Industrielle Berufsbildung für ein digitalisiertes und nachhaltiges Arbeiten an und mit Produktionsanlagen und -systemen

Präsentation


1.    Einleitung mit Nennung der Vorträge und Referent*innen

Die seit längerer Zeit stattfindende Digitalisierung mit cyberphysischen Systemen (CPS) sowie die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in der industriellen Facharbeit hat Auswirkungen auf die Gestaltung der Produktionsanlagen und -systeme, auf die Zusammenarbeit zwischen Mensch & Maschine, auf die Qualifikationsanforderungen der Beschäftigten und in der Folge auf die Ausgestaltung der Berufe. Konsequenzen lassen sich aus den Entwicklungen für alle Akteure der beruflichen Bildung ableiten. Im Arbeitskreis wurden die Auswirkungen auf die berufliche Ausbildung aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. Eine Einführung in die Veränderungen der industriellen Arbeitswelt wurde in dem Vortrag von Lars Windelband (Karlsruher Institut für Technologie) zum Thema „Wandel der Produktion bedingt neue Strukturen in den Berufen“ gegeben. Er präsentierte dabei die wissenschaftlichen Ergebnisse der sogenannten EVA M+E Studie präsentierte. Die Untersuchungsmethode und Partner der Studie im Auftrag von Gesamtmetall wurden von Georg Spöttl, Universität Bremen, vorgestellt. Im Anschluss daran zeigten Susanne Resnik und Alfons Regler von der Audi AG auf, welche aktuellen „Herausforderungen der industriellen beruflichen Ausbildung aus der Perspektive eines Automobilherstellers“ bestehen. Den Abschluss im Arbeitskreis bildete Frank Gerdes von der IG Metall mit einem Vortrag zur „Neuordnung der industriellen Ausbildungsberufe, ein Spagat zwischen Tradition und Moderne“.

Diskutiert wurden im Nachgang zu den Impulsbeiträgen vor allem Fragen der Gestaltung von Berufen und der zukünftigen Ausrichtung der M+E Berufsausbildung einschließlich der Organisation von Lernprozessen. Das dabei aufgezeigte Diskussionsspektrum war erheblich und vermittelte einen exzellenten Einblick in die Vielfalt von Aufgaben, die ausbildende Betriebe und Sozialpartner zu bewältigen haben.

2.    Relevanz des Workshopthemas

Die industrielle berufliche Ausbildung im produzierenden Gewerbe ist herausgefordert überzeugende Antworten auf die Veränderungen in den Berufen zu finden. Ein knapper Überblick über Entwicklungen:

  • Technologischer Fortschritt: Der produzierende Bereich und besonders die Automobilindustrie ist von ständigem technologischem und organisatorischem Wandel geprägt. Neue Technologien wie Elektromobilität, autonomes Fahren und digitale Vernetzung erfordern spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der Ausbildung vermittelt werden müssen.
    Digitalisierung und Industrie 4.0: Die fortschreitende Digitalisierung und der Einsatz von Industrie 4.0-Technologien verändern die Produktionsprozesse und die Arbeitsumgebung in der Automobilindustrie sowie in der gesamten Produktion.
  • Komplexe Produktionsprozesse: Moderne Automobilproduktion erfordert hochkomplexe Produktionsprozesse, bei denen eine Vielzahl von Maschinen, Robotern und automatisierte Systeme zum Einsatz kommen. Die Auszubildenden müssen in der Lage sein, diese Prozesse zu verstehen und zu beherrschen. Die Vermittlung dieses Wissens erfordert veränderte Arbeits- und Lernmethoden.
  • Fachkräftemangel: Die Automobilindustrie und der produzierende Bereich leiden unter einem Fachkräftemangel, insbesondere in technischen Berufen. Gründe sind neben dem demographischen Wandel die Akademisierung sowie der Generationswechsel hin zur Generation Alpha. Dies stellt eine Herausforderung dar, da die Unternehmen qualifizierte Auszubildende gewinnen und halten müssen, um ihren Bedarf an Fachkräften zu decken. Hier ist ein deutlicher Rückgang bei den metalltechnischen Berufen zu sehen und ein wachsen der elektrotechnischen und IT-Berufe.
  • Interdisziplinäre Fähigkeiten: Moderne Produktionsbereiche sind hochkomplex und erfordern Kenntnisse in verschiedenen Bereichen wie Elektronik, Mechanik, Informatik und Mechatronik. Die Auszubildenden müssen in der Lage sein, über Disziplinen hinweg zu arbeiten und interdisziplinäre Probleme lösen. Die Ausbildung sollte daher darauf abzielen, breit gefächerte Fähigkeiten zu entwickeln, um den Anforderungen der modernen Produktion gerecht zu werden. Doch welche Konsequenzen hat dies für die Gestaltung der Berufsbilder?

3.    Zusammenfassung der Ergebnisse/Diskussion

Die Vertreter der Audi AG stellten vielfältige Ansätze vor, um die Berufsausbildung für die aktuellen Entwicklungen fit zu machen:

  • Ausbau der IT Ausbildung mit der Einführung von zusätzlichen Fachrichtungen, der Erhöhung der Anzahl der Auszubildenden, neues Ausbildungskonzept und Ausbildungskooperationen,
  • Ausbau der Ausbildung in der Hochvolttechnik - Ausbau der Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker in System- und Hochvolttechnik,
  • IHK-Zusatzqualifikationen -Additive Fertigung (Werkzeugmechaniker, Zerspanungsmechaniker, Mechatroniker), Digitale Vernetzung (Mechatroniker), Programmierung (Mechatroniker),
  • ESG Projekte - Weitere Stärkung von sozialem Engagement und Nachhaltigkeit in der Ausbildung (Azubi Biotop, Azubi Challenge),
  • Einführung von DBFH-Programmen - Gleichzeitiger Erwerb von Ausbildung und Fachhochschulreife in Zukunftsfeldern: KFZ-Mechatroniker System- und Hochvolttechnik, DBFH und Fachinformatiker Anwendungsentwicklung DBFH,
  • Erhöhung des Anteils an Studenten- Steigerung der Anzahl an Studenten um 300% von Einstellungsjahr EJ2021 zu EJ2023, Einführung vieler neuer Studiengänge mit Fokus IT,
  • Interne Zusatzqualifikationen - Batterietechnik-Car, IT-Additive Fertigung für Fertigungsmechaniker.

Damit geht die Audi AG den Weg die Herausforderung Digitalisierung, E-Mobilität und Akademisierung mit der Einführung neuer Berufe und Zusatzqualifikationen zu meistern. Die meisten Herausforderungen können nach Aussage von Resnik & Regler durch mehr Flexibilität im Betrieb und einer stetigen Weiterentwicklung der Lerninhalte und der Lehrmethoden gut begegnet werden. Ein Grundsatzproblem besteht jedoch weiterhin:

 

Der Vertreter der IG Metall, Frank Gerdes, stellte ein breites Spektrum an Aufgaben aus der Agenda der IG Metallvor, um die Berufsausbildung für die aktuellen Entwicklungen fit zu machen:

Ausbildungskonzepte:

  • Zeitrahmenmethode vs. Lernfelder,
  • komplexe Produktionsleitsysteme; cyberphysische Anlagen; Digitalisierung aller Prozesse und Abläufe (personales, technisches),
  • Arbeiten in interdisziplinären Teams, selbständig mit einer hohen fachlichen Qualifikation,
  • Änderung der Ausbildungskonzepte und Kultur.

Prüfungspraxis:

  • Betriebliche Aufträge vs. praktische Arbeitsaufgabe,
  • Betrieblicher Auftrag in der Prüfung,
  • Unterstützung moderner Ausbildungskonzepte und Stärkung beider Lernorte.

Statistik zu den Berufen:

  • Genaue Erfassung der Zahlen bei den Ausbildungsberufen

Mitbestimmung in der Berufsbildung durch Betriebsräte

Zusatzqualifikationen:

  • Zusatzqualifikationen passend zur Arbeits- und Geschäftsprozessorientierung

Standardberufsbildpositionen:

Alles ist in Veränderung: mobile Ausbildung und Arbeit; psychische Belastungen steigen an; neue Standardberufsbildpositionen sind gefordert.

Duale Kompetenzprüfung:

  • Verschieden Modellansätze in der Erprobung

Modulare Fortbildung – Fach- und Führungskarriere:

  • Niedrigschwelligen Einstieg in eine Fortbildung ermöglichen,
  • Neue Fortbildungswege – Unterstützung des Einstiegs in das lebensbegleitende Lernen,
  • Vom Facharbeiter zum Master Professional nach BBIG 2020, §4 und §53b, c, d und DQR 4 bis DQR 7,
  • Fortbildungsstufe 1 ist modulare Prüfungsbestandteile der Fortbildungsstufe 2,
  • Bedarf nach fachlicher Spezialisierung (unmittelbar nach der Ausbildung) decken, ohne Personalverantwortung.

4.    Aufgaben/Herausforderungen aus Sicht der BAG als Impulse

Vielfältige Herausforderungen und zukunftsorientierte Perspektiven bei gleichzeitiger Absicherung bestehender Ausbildungsqualität sind der Spannungsbogen unter welchem derzeit eine qualitativ hochwertige Ausbildung entstehen soll. Bei oft „ungünstigen Ausgangsbedingungen der Schulabsolventen“ und „immer weniger ausbildenden Betrieben“ stehen dafür erhebliche Anstrengungen an, die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung weiterhin zu garantieren.

Den Verantwortlichen der BAG M+E wird empfohlen, sich intensiv der Entwicklungen auf den verschiedenen Ebenen anzunehmen und konkrete, flankierende Maßnahmen zur Zukunft der Berufsbildung zu entwickeln. Auch wenn das nicht für alle Thematiken geschehen kann, ist eine Prioritätenliste notwendig und den verantwortlichen Akteuren wird empfohlen, mit den Vertretern der verschiedenen Fraktionen Lösungen zu erarbeiten, um die Berufsbildung in sicherem Fahrwasser weiter zu entwickeln und um die „Überlebenschancen“ zu verbessern. Dies reicht von der Umgestaltung der Prüfungspraxis bis zur Neukonzeption der Metall- und Elektroberufe.


Moderation und Einführung:
Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Spöttl

Universität Bremen

spoettl@uni-bremen.de

Prof. Dr. Lars Windelband
KIT Karlsruhe

lars.windelband@kit.edu

Herausforderungen der industriellen beruflichen Ausbildung aus der Perspektive eines Automobilhersteller

Präsentation


o Einordnung der Ausbildung bei Audi (Zahlen, Daten, Fakten)

o Aktuelle Rahmenbedingungen der beruflichen Bildung bei Audi

o Reaktionen auf die veränderten Rahmenbedingungen (Fokus fachlich)

o Entwicklung der Einstellzahlen in den verschiedenen Berufen>


Susanne Resnik; Alfons Regler
AUDI AG
susanne.resnik@audi.de

Neuordnung der industriellen Ausbildungsberufe, ein Spagat zwischen Tradition und Moderne

Präsentation


<In Arbeit>


Frank Gerdes
IG Metall
Wilhelm-Leuschner-Str. 79
DE 60329 Frankfurt am Main
frank.gerdes@igmetall.de

Arbeitskreis 3: Fahrzeugtechnische Berufsbildung für die Facharbeit in einer digitalisierten und nachhaltigen Arbeitswelt

Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind in der Facharbeit in fahrzeugtechnischen Berufen keine neuen Themen. Seit Jahrzehnten steigt insbesondere bei der Diagnose die Bedeutung digitaler Lösungen, aber auch Service- und Reparaturaufgaben sind oftmals ohne digitale Unterstützung nicht möglich, ebenso wie die Dokumentation durchgeführter Arbeiten. Hinzu kommen jedoch neue Anforderungen durch die Digitalisierung der Fahrzeuge selbst und die Vernetzung zwischen Fahrzeugen und der Umwelt. Dieses betrifft in besonderem Maße auch den Bereich der Land- und Baumaschinen. Aspekte der Nachhaltigkeit sind nicht mehr nur in Bezug auf Entsorgung und Recycling zu thematisieren, sondern grundlegender zu diskutieren, etwa bei der Auswahl der passenden Antriebstechnologie mit dem Ziel der Minimierung von Emissionen oder bei der Nutzung innovativer Technologien zur Optimierung des Ackermanagements im Bereich der Landmaschinen.

Im Workshop soll zunächst ein Blick auf die Innovationen und Herausforderungen im Bereich der Landtechnik geworfen werden. Weiterhin soll die Revisionsfestigkeit des Berufes Kfz-Mechatroniker/in in den Blick genommen werden. Anschließend kann dann diskutiert werden, ob die fahrzeugtechnischen Berufe den aktuellen Transformationsprozessen gewachsen sind oder es Neuordnungsbedarf gibt.Im Mittelpunkt einer gemeinsamen Arbeitsphase sollen methodische und mediale Fragestellungen stehen, die im Rahmen der Gestaltung von Lernsituationen zu beantworten sind.


Moderation und Einführung:
Torben Karges
Europa-Universität Flensburg

Tim Richter-Honsbrok
Leibniz Universität Hannover

 Revisionsfestigkeit des Kfz-Mechatroniker-Rahmenlehrplans vor dem Hintergrund der Digitalisierung

Präsentation


Die Neuordnung des Ausbildungsberufes Kfz-Mechatroniker/-in ist mittlerweile gut 10 Jahr her. Die Entwicklungen in diesem Jahrzehnt sind geprägt von der zwar nur langsam fortschreitenden Elektromobilität und mehr noch von neu aufkommenden Themen wie „Wasserstoff“ und der Brennstoffzelle. Der Beitrag wirft einen prüfenden Blick auf die neuen Herausforderungen einerseits und auf die Formulierungen der Ordnungsmittel andererseits. Ist insbesondere der Rahmenlehrplan des Kfz-Mechatronikers von 2013 zukunftsfest formuliert? Oder muss neu geordnet werden? Aus der Analyse und der beispielhaften Betrachtung der Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen lässt sich zeigen, dass auch moderne und zukünftige Antriebstechnologien vom Rahmenlehrplan durchaus berücksichtigt sind und somit in den Mittelpunkt des Unterrichts gestellt werden können und sollten. Dies wird insbesondere durch eine an den beruflichen Handlungen in den beruflichen Handlungsfeldern des Service, der Diagnose, der Reparatur und des Um- und Nachrüstens sichergestellt. Lediglich eine Aktualisierung der benannten Mindestinhalte wäre erforderlich, wobei diese sowieso eine ständige Aktualisierung in der Unterrichtspraxis erfahren sollten.


Prof. Dr. Matthias Becker
Leibniz Universität Hannover
becker@ibm.uni-hannover.de

Änderungsbedarf in den fahrzeugtechnischen Ausbildungsberufen

Präsentation


<In Arbeit>


Dr. Tim Richter
Leibniz Universität Hannover
richter@ibm.uni-hannover.de

Arbeitskreis 4: Informationstechnische Berufsbildung für eine digitalisierte und nachhaltige Arbeitswelt in Industrie, Handwerk, Dienstleistung und Verwaltung

Die weiter voranschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt z.B. durch cyberphysische Systeme, Big Data, Künstliche Intelligenz und deren Auswirkung auf verschiedene Ebenen der beruflichen Bildung (Ausbildung, Weiterbildung, Lehramtsausbildung, etc.) wird seit längerem wissenschaftlich erforscht und diskutiert. Gleichzeitig zeigt sich in der Praxis eine große Heterogenität zwischen formal geforderten und real vorhandenen IT-Kompetenzen von Auszubildenden in verschiedenen Berufen, Branchen und Betrieben. Im Rahmen der Impulsvorträge wird der Status quo der IT-Kompetenzerwartungen an der Schnittstelle Allgemeinbildung und berufliche Bildung skizziert. Anschließend werden gemeinsam Lücken zwischen Theorie und Praxis identifiziert und diskutiert.


Moderation und Einführung:
Steffen Jaschke
Universität Siegen
steffen.jaschke@uni-siegen.de

Sven Jacobs
Universität Siegen
sven.jacobs@uni-siegen.de

Zwischen IT-Berufen und IT-Kompetenzen in Berufen

Präsentation


Der Impulsvortrag widmete sich den IT-Berufen mit den Schwerpunkten Anwendungsentwicklung, Systemintegration sowie Daten- und Prozessanalyse. Darüber hinaus wurden implizite und explizite IT-Kompetenzen beleuchtet, die in einer digitalisierten Arbeitswelt unabdingbar sind. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Medienkompetenz und ihrer Bedeutung für die digitale Bildung. Schließlich wurde die informatische Bildung in der Sekundarstufe I und II mit Bezug auf NRW, Bayern und weitere Bundesländer thematisiert. Im Mittelpunkt stand hier das Pflichtfach Informatik. Diskutiert wurde unter anderem der Flickenteppich, der nicht nur bundesweit, sondern auch innerhalb einzelner Bundesländer besteht. Hier wurde die Problematik der heterogenen Vorkenntnisse der zukünftigen Auszubildenden erkannt.


Sven Jacobs und Dr. Steffen Jaschke
Universität Siegen
sven.jacobs@uni-siegen.de
steffen.jaschke@uni-siegen.de